Medienpolitik: Von der Post bedroht

Nr. 36 –

Die Post unterläuft mit ihrer Preispolitik demokratische Entscheide. Das betrifft auch die WOZ. Kleinere Zeitungen sind gefährdet.

Am Tag vor Erscheinen dieser WOZ erhielt Medienministerin Doris Leuthard Post. Ein offener Brief an die Bundesrätin verlangt die Rücknahme von Preiserhöhungen der Post im Zeitungs- und Zeitschriftenvertrieb. Unterzeichnet ist er von kleinen, unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften, die ihre Auflage von der Post verschicken lassen. Sie sind seit Anfang des Jahres mit einer Preiserhöhung von zwei Rappen pro Exemplar konfrontiert. Nächstes und übernächstes Jahr werden es nochmals je zwei Rappen sein. Nun verlangen die Unterzeichnenden, dass Bundesrätin Leuthard bei der Post interveniert.

Es geht um viel Geld. Für «Le Courrier», die linke Tageszeitung der Westschweiz, bedeutet die Erhöhung etwa Mehrkosten von 40 000 Franken im ersten, 80 000 im zweiten und 120 000 Franken ab dem dritten Jahr. Die unabhängige Freiburger Regionalzeitung «La Liberté» muss allein dieses Jahr Mehrkosten von 90 000 Franken in Kauf nehmen. Aber auch für eine Wochenzeitung wie die WOZ fällt die Erhöhung ins Gewicht: Sie könnte mit den 32 000 Franken, die sie auf drei Jahre hinaus mehr bezahlen muss, eine Redaktionsstelle von fünfzig Prozent für ein Jahr finanzieren. Nicht gewinnorientierte Vereins- oder Mitgliederzeitungen sind ebenfalls betroffen. Schon letztes Jahr mussten sie Preiserhöhungen in Kauf nehmen, weil die Post ihr Berechnungssystem umstellte. Mit den neuen Erhöhungen geht es nun für manche um die Existenz.

«Courrier» verweigert Zahlung

Die Tariferhöhung steht im Widerspruch zur Politik der Eidgenossenschaft. Diese lässt der Post jährlich fünfzig Millionen Franken zukommen, damit die ihre Tarife für Zeitungen und Zeitschriften senkt. Indirekte Presseförderung heisst das System, es hat die Erhaltung einer vielfältigen Medienlandschaft zum Ziel. Pikant ist, dass die eidgenössischen Räte vor vier Jahren eine Erhöhung der Subvention um zwanzig Millionen Franken beschlossen haben. Die Aufstockung wird durch die Preiserhöhung der Post vollständig zunichtegemacht. «Sind Sie sich bewusst, dass die Post mit ihrer Preispolitik einen demokratisch gefällten Entscheid unterläuft?», fragen die Betroffenen Doris Leuthard im Brief.

In der Westschweiz führt der kleine «Courrier» den Aufstand der Presse an und stösst damit auf starkes Echo bei unabhängigen und alternativen Presseerzeugnissen – unter anderem, weil es hier noch mehrere Regionalzeitungen gibt, die ihre ganze Auflage der Post übergeben. Der «Courrier» weigert sich seit Anfang Januar, die Erhöhung zu bezahlen. Er argumentiert, die Post diskriminiere kleine Zeitungen, für deren Budget die Erhöhung prozentual viel stärker ins Gewicht falle als für eine grössere Zeitung. Ein Rekurs des «Courrier» ist bis heute hängig.

Schweizer Medien, der Dachverband der Verlegerbranche, bekämpft die Erhöhung ebenfalls auf juristischem Weg. Mittels Klage fordert er die Klärung widersprüchlicher Passagen im neuen Postgesetz. Dort steht zwar, dass die Post kostendeckend arbeiten muss, aber auch, dass sie Zeitungen und Zeitschriften im ganzen Land zum gleichen Tarif befördern muss. Laut Verband bedeutet das, dass der Zeitungsvertrieb defizitär sein darf. Die Post behauptet das Gegenteil. Diese Klage kommt ebenfalls nur schleppend voran.

Subventionierte Postdirektoren

Nicht umsonst fordert nun der offene Brief Transparenz über die Zustellkosten. Die Kritik lautet nämlich, dass die Post auch in diesem Bereich alle anfallenden Betriebskosten mitberechnet. Das würde heissen, dass die Eidgenossenschaft Postdirektorenlöhne subventioniert. Und dies trotz eines Reingewinns der Post von 626 Millionen Franken im Jahr 2013.

Schon am Freitag kommt frischer Wind in die Debatte. Am Vormittag stellt die Eidgenössische Medienkommission (EMEK) ihre lang erwartete Stellungnahme zu möglichen Fördermassnahmen vor. Im Brennpunkt des Interesses steht die Frage, ob die Medienkommission einen Systemwechsel von der indirekten zur direkten Förderung vorschlagen und gezielt qualitative, für die Demokratie bedeutungsvolle Medienleistungen auch im Bereich der Mitgliederzeitungen unterstützen wird. Ausserdem ist zu klären, ob sie zusätzliche oder alternative Finanzierungsmodelle wie eine Abgabe auf Werbung oder eine Datenverkehrsabgabe («Google-Steuer») vorschlagen wird.