Buch «Unsere Namen» von Dinaw Mengestu: Rebell ohne Namen

Nr. 37 –

Nein, seinen richtigen Namen gibt er bis zum Schluss nicht preis. Das ist Programm: «Unsere Namen» – so der Titel des dritten Romans von Dinaw Mengestu – sind auf dem Cover durchgestrichen. Und den Namen Isaac, unter dem wir den Protagonisten kennenlernen, hat er von seinem Freund in Uganda übernommen, zusammen mit dem Pass, der ihn in den siebziger Jahren aus dem kriegsgeschüttelten Land in eine Kleinstadt im Mittleren Westen der USA katapultiert hat. Dort trifft Isaac auf die Sozialarbeiterin Helen, die sich beruflich (und bald auch privat) um ihn kümmert.

Abwechselnd erzählen Isaac und Helen: Helen über den jungen Afrikaner, mit dem sie in der US-Kleinstadt wie in einer Gegenwartsblase lebt, weil sie nichts von ihm weiss und nichts zu fragen wagt; Isaac über sein Fremdsein in der ugandischen Hauptstadt Kampala, wo er durch seinen einzigen Freund Isaac (den tatsächlichen Isaac) immer tiefer in den Gewaltstrudel der Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen gerät: «Gekommen war ich für die Literatur, doch ich blieb für den Krieg.» Je grausamer die Lebensumstände und Erlebnisse, desto zurückhaltender formuliert Isaac seine Beobachtungen. «Mein Vogel» hat ihn sein Vater immer genannt – und nur dank dieser Perspektive, als Erzähler, der sich innerlich in die Lüfte erheben kann, schafft es Isaac, am Leben zu bleiben.

Dinaw Mengestu, 1978 in Äthiopien geboren und in den USA aufgewachsen, kreist in «Unsere Namen» erneut um das zunehmend globale literarische Thema von Migration und Identität. Einmal mehr beweist er sich dabei als Meister der Zwischentöne, gerade wenn es um grosse Emotionen oder Rassismus geht. «Erst indem wir einander erlauben, neue Geschichten für uns zu erfinden, gelangen wir zu dem, was uns wirklich ausmacht und was uns hilft, andere zu verstehen», sagte er kürzlich in einem Interview. Besser könnte man «Unsere Namen» nicht auf den Punkt bringen.

Dinaw Mengestu liest am Sonntag, 14. September 2014, um 20 Uhr im Kulturlokal Ono in Bern und 
am Montag, 15. September 2014, um 20 Uhr in der 
Bar & Buchhandlung Sphères in Zürich.

Dinaw Mengestu: Unsere Namen. Aus dem Amerikanischen von Verena Kilchling. Kein & Aber. Zürich 2014. 336 Seiten. Fr. 30.90