Frühfranzösisch: Imagine-toi, Pedro
Eine Replik des welschen Autors Daniel de Roulet auf den Text seines Kollegen Pedro Lenz in der vorletzten WOZ.
Cher Pedro, tu as publié une belle défense du français à propos des politiciens de Thurgovie et de Nidwald qui ne veulent pas le Früefranzösisch. C’est une belle lettre d’amour aux Suisses romands. Moi aussi elle m’a touché. Mais malheureusement erledigt sich la question nöd mit ere Liebeserklärig oder, wie anderi meined, mit emene Guisan-Appell à la Willensnation.
Isch doch komisch: Uf de einte Siite d Nationalischte, wo meinet, de welsch Teil vo de Schwiiz söll mer lo falle – und uf de andere die sogenannte Progressischte, wo alles wend bim Alte loo. La première chose, wo ihr, les Suisses allemands, nöd säget, isch, dass s Hoochtütsch, wo n ihr mönd i de Schuel lerne, für eu scho e zweite Schprach isch. Toi, Pedro, du schriibsch in ere würkliche Schprach, im Schwiizertütsch. La deuxième chose: dass hützutags bald jedes Chind meereri Schprache redt, sogar scho for de Schuel. Din Name zum Bischpiil chunnt mee vo Schpanie als vo Bümplitz.
Ab vierzgi hät tout le monde Müe zum e neui Schprach lerne. Du au, oder? Also: Was für e Schprach bruuched d Chind, wo hüt d Schuel aafanget, wenns vierzgi sind? Die sind denn in ere Welt, wo me zerscht erfinde mues. Imagine-toi, mon cher, la Suisse sera partout. Ich ha scho Müe, wenn ich a d Expo im 2027 tenkä. Mer werdet denn wahrschiinli inere posthelvetische Gsellschaft lebe. D Globalisierig (la mondialisation) wird scho längscht dur d Globalität (la mondialité) ersetzt sii.
Ich zum Bischpiil han kei vo dene Schprache, won ich rede, i de Schuel glernt. Le bon allemand, Schrifttütsch, chann ich nur so schlecht, wies mir en welsche Lehrer gleert hät, also gar nöd. Nous on luttait pour le Jura libre. Le dialecte des germanophones han ich bi de Bewegig glernt, l’italiano lo parlo con la mia morosa und Globish z Boston bim Schaffe.
Bevor mer vierzgi isch, isch es easy: Da goot mer es week-end oder drü zu de bonne amie à Lausanne, und scho cha mer säge: Je t’aime, ma chérie. Oder mer goot en Summer is Tessin abe oder uf London drü Monet, und scho chasch säge: Fuck the Queen. Bis 2050 gits uf dere Welt ei Milliarde Migrantinne und Migrante, do werdet d Jassregle nomol andersch: Le bourg, le nell et l’as, ça vaudra plus rien.
S isch also fertig mit der Ziit, wo d Suisse-toto-Schriftschteller die Welsche so gern gha hend, dass sogar zu eus cho sind go woone, wie de Dürrenmatt z Neuchâtel und de Nicolas Meienberg und de Monsieur Nizon sur les berges de la Seine. Eigetli hend die gar nöd eus gern gha, sondern nur de gallische Haan. Oder im Tessin hät ja au de Max Frisch nur d Sunne gsuecht und nöd de Kontakt mit em lokale Volk. Aber jetzt, wo de Haan weniger schöni Fädere und de Berlusconi jedes Quartier vo Rom versaut hät, händs iir, les Suisses totos, weniger nötig, mit eus Latinos nett z sii. Isch ja nöd so schlimm, solang le désamour nur mit Gliichgültigkeit ersetzt wird.
Die wo hüt d Schuel aafanget, werdet die sogenannte Nationalschprache mit em Reise lerne oder mit Schprachufenthalt. Au Globish werdet sie schnappe, zwüsche Yahootown und Itunecity. Aber die Schprache, wo si da bruuche werdet und mer mit vierzgi nüme so eifach lernt, sött mir ine mit Kürs schmackhaft mache: die mit de komische Schrift und Grammatik. Chinesisch, Türkisch, Spanisch, Arabisch, Russisch …
Und s Englisch, frogsch? Es giit ja Lüüt, wo das nöd wend, will das d Schprach vom Empire und de Globalisierung sig. Aber s Globish, wo us dem Englisch chunnt, isch no jung – de Aafang vomene Wandel.
Oui, c’est vrai, nous aimons tous les deux cette harmonie helvétique, wo d Landschafte meereri Näme hend. Wo le Cervin au Matterhorn heisst, und, wenn de Zug in Chexbres us em Tunnel chunnt, die eine säget: «O, Léman!», und les autres: «Lueg, de Genfersee!» Muesch kei Angscht ha, d Berge und de See wirds immer no gä, au nach em 2050. Aber en dritte oder vierte Name dezue, wär das nöd super? – A propos: Dini Liebeserchlärig chömmer scho bruuche. S Wort Nostalgie verstömmer ja au. Ciao, compañero, wo gsend mer eus la prochaine fois? À Morges, à Schummertau, à Chiasso? Porte-toi bien. Daniel
Von Daniel de Roulet (70) sind in deutscher Übersetzung zuletzt im Limmat-Verlag erschienen: «Kamikaze Mozart» (2013) und «Nach der Schweiz. 27 Porträts zur Metamorphose eines Nationalgefühls» (2009).