Editorial: Geschichte ist niemals vergangen

Nr. 38 –

  • Foto: Andreas Bodmer
  • Foto: Andreas Bodmer
  • Foto: Andreas Bodmer
  • Foto: Andreas Bodmer
  • Foto: Andreas Bodmer
  • Foto: Andreas Bodmer
  • Foto: Andreas Bodmer
  • Foto: Andreas Bodmer
  • Foto: Andreas Bodmer
  • Foto: Andreas Bodmer

2014 ist ein Erinnerungsjahr: In zahllosen Ausstellungen und Veranstaltungen wird des Ersten Weltkriegs gedacht, laufend erscheinen neue Bücher zum Thema. Geschichte boomt.

Doch von welcher Geschichte ist die Rede? Frankreich und England sprechen nicht vom Ersten Weltkrieg, sondern vom «Grossen Krieg» – Erinnerung verläuft mitunter entlang nationaler Grenzen. Um Geschichte wird immer wieder gerungen, mit jeder Generation neu. Denn Geschichte und historische Bildung rufen nicht nur Vergangenes in Erinnerung. Sie bieten ebenso Orientierung in der Gegenwart und Grundlagen zur Entwicklung von Zukunftsperspektiven. Und Geschichte schafft Identität.

Wie Geschichte immer wieder neu geschrieben wird, verdeutlicht die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann im Gespräch über Erinnern und Vergessen. Auch die historische Forschung hat sich seit den siebziger Jahren grundlegend erneuert: Statt grosser Männer und Kriege sind soziale und ökonomische Prozesse sowie der Lebensalltag der kleinen Leute in den Fokus gerückt, wie etwa die Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Zürich deutlich macht. Die kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit hat viele HistorikerInnen dazu veranlasst, ihr Wissen mit den aktuellen Lebensumständen zu verknüpfen und in die Gesellschaft zu tragen. Schweizweit sind seit den achtziger Jahren alternative Stadtrundgänge entstanden, oft mit dem Fokus auf Frauen- und Geschlechtergeschichte.

Doch überholt geglaubte Geschichtsbilder halten sich mitunter lange. Populäre Geschichtsmagazine pflegen sie, konservative Kräfte rufen sie immer wieder wach und verteidigen sie gegen neue Ansätze. Das zeigt sich im aktuellen Versuch der SVP, den Mythos um die Schlacht von Marignano neu aufleben zu lassen, oder in den Auseinandersetzungen um neue Geschichtslehrbücher für die Volksschule. Auch in Kursen zur Schweizer Geschichte für Einbürgerungswillige wirken antiquierte Erzählungen fort.

Und während im Fall der Schweizer Wirtschaftsbeziehungen mit Südafrika jahrelang um einen Zugang zu Archiven und damit um Erinnerung gekämpft werden muss, würde man im Landesmuseum mit der aktuellen Umgestaltung lieber den Mantel des Vergessens um frühere Darstellungsformen nationaler Geschichte legen.

Was im Archiv des Landesmuseums so alles als historisches Spiegelbild nationaler Identität gesammelt wird, hat Andreas Bodmer mit seiner Kamera eingefangen. Der Leichenwagen auf der Titelseite dieser Beilage etwa war bis in die sechziger Jahre im Kanton Zürich im Einsatz.

WOZ Bildung

Dieses Extra wurde unterstützt durch den ­Recherchierfonds des Fördervereins ProWOZ. Dieser Fonds finanziert ­Recherchen und ­Reportagen, die die Möglichkeiten der WOZ übersteigen. Er speist sich aus Spenden der WOZ-LeserInnen.
Unterstützen Sie den ProWOZ