Fussballfans: Freie Fahrt für die Vernunft
Am Donnerstag vergangener Woche ereignete sich im Bundeshaus Wundersames: Der Nationalrat erteilte der Repression gegenüber Fussballfans eine Absage. In zweiter Lesung wies er den bundesrätlichen Vorschlag zur Lockerung der Transportpflicht zurück, mit deutlichen 119 zu 50 Stimmen (bei 11 Enthaltungen). Damit darf, wer als Fussballfan unterwegs ist, auch weiterhin jeden Zug besteigen, den er oder sie möchte.
Die Vorlage umfasste zwei Kernpunkte: Zum einen sollten Fans künftig in gesonderten Zügen an die Auswärtsspiele reisen, zum andern sollten diese Züge von den jeweiligen Klubs gechartert werden, mit entsprechender Haftungsklausel bei allfälligen Sachbeschädigungen. Der Entscheid des Nationalrats ist umso erstaunlicher, als zu beiden Punkten seit jeher falsche Bilder durch die Köpfe geistern. So war etwa in der NZZ nach dem Entscheid zu lesen, mit der Gesetzesänderung hätten Fangruppen verpflichtet werden können, «anstelle des fahrplanmässigen öffentlichen Verkehrs spezielle Fanzüge zu benutzen» – kein Wort darüber, dass alle grossen Fankurven seit Jahren schon in Extrazügen an die Spiele fahren, weitere Zugreisende (sogenannte Regelzugreisende) also kaum je von «Fanhorden» behelligt werden. Die zweite falsche Prämisse betrifft die Schadenssumme: Von «jährlichen Millionenschäden» schreibt SRF Online noch in diesen Tagen, dabei hatte SBB-CEO Andreas Meyer bereits im Februar 2012 nach Recherchen der WOZ bestätigt, dass sich die Schadenssumme auf 300 000 Franken belaufe. Für die Saison 2013/14 waren es gar nur noch 160 000 Franken.
Im Gegensatz zu Bundesrätin Doris Leuthard, die ihre Vorlage mit Schockmeldungen brennender Abteile bewarb (siehe WOZ Nr. 19/14 ), appellierten die ParlamentarierInnen an die Verhältnismässigkeit: Wie hätte man künftig an hoch frequentierten Bahnhöfen Fussballfans aus der Masse der «normalen» Menschen aussondern können? Eine Gesetzesänderung, die kaum umsetzbar wäre, sei angesichts von neunzig Prozent problemlos verlaufenden Extrafahrten keine gute Idee, fand etwa der Schaffhauser SVP-Nationalrat Thomas Hutter. Man stelle sich vor, im Asylbereich würden bald ähnliche Töne angeschlagen!