Ukraine und Russland: Streit unter den Separatisten

Nr. 2 –

Einige separatistische Kräfte in der Ostukraine sind Moskau zu radikal geworden. Bevor sie Radikale in Russland selbst anstacheln, sollen sie kaltgestellt werden.

Als ob die selbst ernannten Republiken in der Ostukraine nicht schon genug Probleme hätten. Alle paar Tage kommt es zu militärischen Auseinandersetzungen. Allein am 6. Januar hätten ukrainische Truppen die Waffenruhe 23 Mal gebrochen, liess der militärische Stab der «Republik» Donezk verlauten. Doch nun gehen die neuen Machthaber in den separatistischen Republiken auch noch selbst gegen unsichere Kantonisten vor, gegen eigenwillige Feldkommandeure und Kosakenführer, die weiterhin ein grosses «Noworossija» (Neurussland) bis Odessa anstreben. Auch linke AktivistInnen und linksnationalistische KämpferInnen, die von einem sozialistischen Staat ohne OligarchInnen träumen, wurden in den letzten Wochen Zielscheibe separatistischer Gewalt.

Oligarchischer Geist bleibt

Am 21. Dezember wurden in Donezk drei Mitglieder der ukrainischen Linksorganisation Borotba (Kampf) von einer separatistischen Spezialeinheit verhaftet und zwei Wochen in einem Gefängnis festgehalten. Ein weiteres Borotba-Mitglied, das sich für die Freilassung der drei Inhaftierten eingesetzt hatte, wurde ebenfalls verhaftet.

Die «Staatsanwaltschaft» in Lugansk warf den AktivistInnen vor, sie wollten für die Ukraine spionieren. Tatsächlich sind sie nach dem Machtwechsel in Kiew wegen der Verfolgung durch den Rechten Sektor nach Charkow und auf die Krim geflüchtet. In einer Erklärung der inzwischen Freigelassenen heisst es, sie seien zusammen mit ukrainischen Kriegsgefangenen gut behandelt und verköstigt worden. Doch die Verhaftung und die Deportation liessen vermuten, dass die selbst ernannten Republiken ihren «antifaschistischen und antioligarchischen Geist» aufgegeben hätten.

Auch zwischen den moskaunahen Führungen der «Volksrepubliken» und den radikalen Feldkommandeuren nimmt der Konflikt an Schärfe zu. Ende Dezember forderte der Kosakenführer Pawel Dremow in einer Videobotschaft von Wladimir Putin, den «Ministerpräsidenten der Republik Lugansk», Igor Plotnizki, abzuberufen: Der «Bürokrat» und «geldgierige Jude» habe ostukrainische Kohle an russische Oligarchen verschachert, anstatt die Lage der Bevölkerung zu verbessern. Der Kosak droht mit der Veröffentlichung brisanter Dokumente, wenn Plotnizki im Amt bleibt.

«Batman» im Kreuzfeuer

Zur gleichen Zeit hat die «Staatsanwaltschaft» der «Republik» Lugansk ein Strafverfahren gegen das Bataillon «Batman» eröffnet und mehrere Mitglieder verhaftet. Dieser Spezialeinheit wird vorgeworfen, in einem eigenen Gefängnis dreizehn Häftlinge gefoltert zu haben; einer sei gestorben. Die «Batman»-Kämpfer rechtfertigten ihr autarkes Wirken damit, dass ausser ihnen niemand in Lugansk gegen Spione und Kriminelle vorgegangen sei.

Das Bataillon, dem viele Freiwillige aus Russland angehören, gilt als kampffähigste Einheit in Lugansk. Der Anführer Aleksandr Bednow war Gegner des Abkommens von Minsk, das einen Waffenstillstand und einen Sonderstatus für die Gebiete Lugansk und Donzek innerhalb der Ukraine vorsieht. Weil sich der ukrainische Staatsbürger und ehemalige Polizeihauptmann Bednow einer Entwaffnung widersetzte, holte das «Innenministerium» von Lugansk zum tödlichen Schlag aus: Am 1. Januar wurde Bednows gepanzerter Volkswagen T-4 in einem Kreuzfeuer durch Gewehre und Granatwerfer beschossen. Er und sechs seiner Begleiter starben. Die «Staatsanwaltschaft» in Lugansk präsentierte eine andere Version der Ereignisse: Bednow habe seine Entwaffnung verweigert und sei bei einer «Schiesserei» getötet worden.

Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Igor «Strelkow» Girkin, der im August auf Druck aus Moskau als «Verteidigungsminister» der «Republik» Donezk zurückgetreten war, bezeichnete den Tod von Bednow als «hinterhältigen Mord». Russische Linke zeigten sich nach dem Tod von Bednow geschockt. Der Journalist Aleksandr Rybin machte im linken Internetportal rabkor.ru Igor Plotnizki für den Tod des «Batman»-Kommandeurs verantwortlich. Statt ein «Noworossija» ohne Oligarchen wolle Plotnizki eine «autoritäre Bananenrepublik zugunsten russischer und ukrainischer Oligarchen» schaffen.

Russland stellt sich vermutlich darauf ein, dass der Krieg um die beiden «Volksrepubliken» noch länger anhalten wird. Gerade deshalb hat Moskau ein Interesse an stabilen politischen Verhältnissen in Donezk und Lugansk. Eigenwillige Feldkommandeure, die dem Ansehen der russischen Aussenpolitik schaden und Radikale in Russland selbst anstacheln, sollen isoliert oder kaltgestellt werden.