Kost und Logis: Ein Mädchen aus Piräus

Nr. 7 –

Ruth Wysseier isst nur noch griechischen Salat

Der Einkaufskorb füllt sich mit griechischen Joghurts, griechischem Olivenöl und Feta – mit Verachtung strafe ich jenen von Nestlé, der bloss so tut als ob. Griechischen Wein allerdings überlasse ich anderen, er gehört zu den Spezialitäten, die mir nur vor Ort schmecken, auch wenn ihn Udo Jürgens vierzig Jahre lang beworben hat.

«Ein Schiff wird kommen» summt in meinem Kopf, die unsterbliche Filmmusik über das Mädchen aus Piräus, das hofft, das nächste Schiff werde endlich nicht nur Freier bringen, sondern die Liebe und einen Mann fürs Leben. Kaum eine Sängerin, die das Lied nicht interpretiert hat: Melina Mercouri, Dalida, Nana Mouskouri, Joan Baez, Caterina Valente, Lys Assia und zuletzt Andrea Berg. Dass Syriza gleich nach ihrem Wahlsieg ankündigte, sie werde den Hafen von Piräus nicht an eine chinesische Grossreederei verscherbeln, freut mich ungemein. Diese Auflage der Troika war nicht nur ein neoliberaler Diebstahlversuch, sondern auch kultureller Frevel. Genauso rasch gab die neue Regierung einen weiteren Entscheid von hohem symbolischem Wert bekannt: Sie wird die 300 Putzfrauen wieder einstellen, die fast anderthalb Jahre unermüdlich gegen ihre Entlassung protestiert hatten.

Griechenland sei nun das Laboratorium für das, was Europa morgen sein könnte, hofft der (linke) Banker Matthieu Pigasse. Wunderbar, dass Europa jetzt eine Alternative erhält bezüglich Laboratorien – des britischen etwa. Britannien, das in seinem Umverteilungsfuror ausprobiert, wie man seine kommunalen Dienste kaputtspart, hat kein Geld mehr übrig für StrassenkehrerInnen oder Schulbusse und lässt die Müllabfuhr mancherorts nur noch alle drei Wochen fahren. Nicht auszudenken, was alles möglich würde, wenn nach der griechischen Wahl die Menschen in anderen Ländern plötzlich realisieren, dass auch sie die Wahl haben!

Bei aller Freude drängen sich auch kritische Fragen auf – es hilft nicht, wenn Linke in der ersten Begeisterung Syrizas nationalkonservativen Koalitionspartner schönzureden versuchen. Wie kann mit einer solchen Partei im Schlepptau eine menschlichere Flüchtlingspolitik umgesetzt werden? Möglich, dass Alexis Tsipras in dem Punkt keine andere Wahl hatte. Aber bei der Zusammenstellung seines Kabinetts? Wieso bekamen Frauen nur ein paar Vizeministerpösteli? War der Testosteronspiegel das entscheidende Kriterium?

Zugegeben, der neue Weg wird ein steiniger sein; freiwillig werden die europäischen Schuldeneintreiber Griechenland kein Jota entgegenkommen. Aber vielleicht wäre bei den Verhandlungen eine Prise weibliche List mindestens so hilfreich wie eine Motorradkluft.

Übrigens: Nebst griechischem Salat sind auch Ferien in Griechenland empfehlenswert und gesund für die dortige Volkswirtschaft!

Ruth Wysseier ist Winzerin und WOZ-Redaktorin.