Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer»: Der Markt wirds nicht richten

Nr. 9 –

In welchen fatalen Strukturen wir gefangen sind, zeigt sich anschaulich beim Erdöl: Ist der Preis tief wie jetzt, fehlt jeder Anreiz, Öl zu sparen. Ist der Preis hoch, gibt das verheerenden Fördermethoden wie dem Ölsandabbau Aufwind, der ganze Landschaften etwa in Kanada grossflächig zerstört. Was tun? Warten, bis die Ölvorräte zur Neige gehen, ist keine Lösung. Zum einen ist das Klima bis dann in einem Ausmass geschädigt, das sich niemand vorstellen will. Zum anderen wird ein unkontrollierter Übergang von einer extrem erdölabhängigen zu einer postfossilen Gesellschaft brutal – zuallererst für die Armen.

Man könnte Pläne schmieden: Wie wäre es mit einer langsamen, kontrollierten Verteuerung fossiler Energieträger, kombiniert mit einer sozialen Abfederung und «Hilfe zur Selbsthilfe» beim Aufbau von dezentralen, ökologischen Energieversorgungsstrukturen? Aber ein solcher Prozess könnte nicht nur in einem Land stattfinden, er müsste international sein. Wer soll das steuern? Und wie Mehrheiten dafür finden? Besonders wir Abstimmungsprofis in der Schweiz wissen, wie die Chancen dafür stehen.

Die Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» der Grünliberalen wird scheitern wie frühere Versuche einer ökologischen Steuerreform – und sie ist auch nicht wirklich unterstützenswert, denn sie verstärkt die Ungleichheit und macht die Staatsfinanzen auf eine unangenehme Art von genau den Energieträgern abhängig, die sie eindämmen will (siehe WOZ Nr. 4/2015 ).

Trotzdem gibt es gute Gründe, Ja zu stimmen: Ein sehr hoher Nein-Anteil schadet der Umweltpolitik in der Schweiz auf Jahre hinaus – auch besseren, sozialeren Vorlagen und Vorschlägen. Immer wird es heissen, das Volk habe ja gezeigt, dass es keine Energieabgaben wolle.

Darum ist ein taktisches Ja sinnvoll: um zu zeigen, dass das Grundanliegen der Initiative wichtig ist. Die Umsetzung ist zwar falsch, aber das macht nichts. Denn eine Mehrheit wird es sowieso nicht geben.