Kommentar zur Annäherung zwischen den USA und Iran: Das gefällt weder Israel noch Saudi-Arabien
In den USA wächst die Einsicht, dass ein Abkommen über das iranische Atomprogramm auch aus Eigeninteresse unabdingbar ist: Mit militärischen Mitteln kann kein Frieden erreicht werden.
Nicht zufällig ist die Schweiz in diesen Tagen Schauplatz der Verhandlungen, die mittelfristig zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und dem Iran führen könnten. Seit dem Abbruch aller Beziehungen zwischen den beiden Staaten infolge der Islamischen Revolution von 1979 vertritt die Eidgenossenschaft in Teheran die diplomatischen Interessen Washingtons und umgekehrt. In Montreux und Lausanne feilschen die Aussenminister beider Länder um die zentralen Streitpunkte eines Abkommens über das iranische Nuklearprogramm. Bis spätestens am 31. März soll eine politische Grundsatzvereinbarung erzielt sein, worauf im Juli die Klärung aller technischen Details erfolgt.
Gelingt der Nukleardeal, könnte er den Weg für die dringend erforderliche Kooperation zwischen Washington und Teheran ebnen, um den syrischen Bürgerkrieg zu beenden sowie andere Probleme und Konflikte vom Mittelmeer bis nach Afghanistan zu überwinden. Selbst die Herbeiführung einer «gerechten Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt», die US-Präsident Barack Obama in seiner Kairoer Rede vom April 2009 versprochen hatte, würde dann wieder vorstellbar.
Der Iran strebt die Normalisierung bereits seit langer Zeit an. Die Islamische Republik hat unter dem abrupten Abbruch der bilateralen Beziehungen vor 26 Jahren viel stärker gelitten als die USA. Selbst die manchmal harschen antiamerikanischen Töne des ehemaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad (2005–2013) waren im Grunde nur ein verkapptes Buhlen um Anerkennung. Doch Washington verfolgte bis zur Aufnahme der Nuklearverhandlungen im Herbst 2013 einen strikten Isolationskurs gegenüber Teheran.
Die Kurskorrektur der Obama-Regierung ist der Einsicht geschuldet, dass sich eine von Teheran eventuell angestrebte Entwicklung von Atomwaffen, wenn überhaupt, nur durch ein Abkommen mit weitreichenden Kontrollmechanismen verhindern lässt. Mit militärischen Mitteln ist das keinesfalls zu schaffen. Das finden inzwischen auch führende Militärs, Geheimdienstler und nüchterne Sicherheitspolitikerinnen.
Die Kurskorrektur der Vereinigten Staaten gegenüber Teheran ist aber auch Ergebnis einer schon seit Jahren unter den politischen Eliten der USA laufenden Debatte über die Nahostpolitik des Landes sowie über die beiden bislang wichtigsten Verbündeten: Israel und Saudi-Arabien. Das 2007 erschienene Buch «Die Israel-Lobby» der beiden (jüdischen) Chicagoer Politikprofessoren John Mearsheimer und Stephen Walt machte einer breiten Öffentlichkeit klar, dass die «entscheidend von dieser Lobby beeinflusste Aussenpolitik der USA» nicht im Eigeninteresse des Landes ist und ihm in der arabischen und islamischen Welt überwiegend Misstrauen und Feindschaft eingebracht hat.
Zbigniew Brzezinski, ein sogenannter Falke der US-Aussenpolitik, wirbt schon seit den Anschlägen vom 11. September 2001 intensiv für eine Normalisierung der Beziehungen zum Iran auf allen Ebenen. 1979 hatte er als Nationaler Sicherheitsberater Präsident Jimmy Carter zur dann gescheiterten Militäraktion geraten, die die US-Geiseln in der Teheraner Botschaft befreien sollte.
Zbigniew Brzezinski hat den schreienden Widerspruch der westlichen Bündnispolitik im Nahen Osten nie verdrängt: die eigentlich wohlbekannte Tatsache, dass die Anschläge vom 11. September ebenso wie fast alle anderen islamistisch gerechtfertigten Terrorakte der letzten Jahrzehnte mit Geld aus Saudi-Arabien finanziert wurden. Sei es direkt von der königlichen Diktatur in Riad oder aus anderen, häufig als «privat» verbrämten wahhabitischen Quellen des Landes. Der Vormarsch der ursprünglich aus Saudi-Arabien finanzierten Milizen des Islamischen Staats im letzten Jahr hat die Entschlossenheit der Obama-Regierung zu einem Nuklearabkommen sowie zu einer Normalisierung der Beziehungen zu Teheran noch bestärkt. Bei der militärischen Bekämpfung des IS im Irak kooperieren die USA und der Iran de facto bereits, auch wenn das in Washington und Teheran bislang offiziell niemand bestätigen möchte.
Die Normalisierung zwischen den USA und dem Iran stösst in Riad sauer auf: Der gegenwärtige Preiskampf Saudi-Arabiens auf dem Ölmarkt richtet sich nicht nur gegen die iranischen Ölfirmen, sondern auch gegen die Fracking-Industrie der USA, die drauf und dran ist, die US-amerikanische Abhängigkeit von Öl aus Saudi-Arabien und anderen Nahostländern zu beenden.
Über ein noch grösseres Störpotenzial verfügt Israel. Das zeigt der jüngste Auftritt von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor dem US-Kongress, aber auch der von ihm inspirierte Brief, mit dem republikanische Kongressabgeordnete der Regierung in Teheran drohen. Diese halten fest, dass ein im November 2016 gewählter republikanischer Präsident ein von Obama vereinbartes Nuklearabkommen mit dem Iran wieder aufkündigen werde.
Damit stärken Israel und die US-RepublikanerInnen letztlich nur die Hardliner in Teheran, die ebenfalls kein Nuklearabkommen wollen.