Sommerzeit: Lasst uns die verlorene Stunde feiern

Nr. 13 –

Ab nächstem Sonntag herrscht wieder Sommerzeit. Man muss wieder früher aufstehen, dafür ist es abends länger hell.

Den einen angenehm, den andern ein Ärger. Und das schon lange: 1977 verabschiedete der Bundesrat ein Sommerzeit-Gesetz. Die Bauern liefen Sturm, weil ihre Kühe aus dem Biorhythmus fielen. Die Landwirte ergriffen das Referendum, über achtzig Prozent der UrnengängerInnen waren ihrer Meinung und lehnten die Sommerzeit ab. Damit war die Schweiz eine Zeitinsel in Europa. Das eidgenössische Parlament räumte deshalb dem Bundesrat die Kompetenz ein, die Sommerzeit eigenmächtig einzuführen. Was er 1981 dann auch tat.

«Die Zeit umstellen, das kann sich nur jemand vornehmen, der sie mit der Uhr verwechselt. Wer die Zeit umzustellen versucht, muss sich mit der Natur anlegen», schreibt der Zeitforscher Karlheinz Geissler im Buch «Time Is Honey», das er zusammen mit seinem Sohn Jonas Geissler kürzlich publiziert hat.

Seit dem Urknall, dem Tag ohne Gestern, gibt es die Zeit, auch wenn wir sie nicht packen können. Was die Moderne jedoch an den Rand des Wahnsinns treibt, ist die Uhrzeit. Die Welt von heute ist ohne Uhrzeit undenkbar. Oder wie es Geisslers ausdrücken: «Die kapitalistische Ökonomie macht Zeit – und das ist stets Uhrzeit – zu einem Produktionsfaktor, der im globalen Wettbewerb über Gewinn und Verlust, materiellen Wohlstand oder Armut entscheidet.» Die Wahrnehmung der Zeit ist politisch, nur soll das niemand merken. Sonst würden die Uhren nicht umgestellt, wenn alle tief schlafen.

Man könnte das doch genauso auch an einem gewöhnlichen Werktag tun. Im Frühjahr würden nachmittags um zwei Uhr die Zeiger auf drei Uhr vorgerückt und die Leute bekämen eine Stunde Arbeitszeit geschenkt. Im Herbst liesse man am Nachmittag um zwei Uhr die Zeiger eine Stunde stehen, alle Geräte ruhten, man hätte Zeit, über die Zeit zu reden oder die Kühe zu kraulen.

Wenn schon Sommerzeit und Winterzeit, dann soll man die verlorenen und gewonnenen Stunden feiern.