Immer und ewig: Mathias Gnädinger und sein Hunkeler
Zugegeben, am Anfang hatte es mich schon ein bisschen gestört: Dass Kommissar Hunkeler, die Romanfigur des Basler Autors Hansjörg Schneider, in den Verfilmungen einen so seltsamen Dialekt redete. Denn Hunkeler ist eigentlich ein Aargauer, der vor vielen Jahren nach Basel kam – und nun soll dieser Aargauer Provinzler tatsächlich Schaffhauserdeutsch reden?
Doch Mathias Gnädinger machte das Unmögliche möglich: Nach wenigen Sätzen war der falsche Dialekt vergessen. Und nach ein paar weiteren Sätzen stimmte er sogar. So wie auch sonst alles an seinem Hunkeler stimmt: wie Gnädinger seinen schweren Körper hustend durch Basel bewegt, wie er schweissgebadet aus einem schlimmen Traum aufschreckt, wie er brütend am Schreibtisch in seinem ungelüfteten Büro sitzt und seine wunderbaren Augenbrauen kritisch in die Höhe zieht, wenn jemand zur Tür hereinkommt. Wie er raucht, trinkt und flucht, der sture «Hunggi», wie ihn seine Geliebte Hedwig (Charlotte Heinimann) liebevoll nennt. Gnädinger ist Hunkeler, so kommt es einem vor, und man kann gar nicht anders, als ihn zu lieben.
Es war Hansjörg Schneider selbst, der Mathias Gnädinger für die Rolle als Hunkeler vorgeschlagen hatte. Das Schweizer Fernsehen (SRF) hatte bereits zwei andere Kandidaten vorgesehen, doch der Autor beharrte auf Gnädinger. Ansonsten würde das Fernsehen die Rechte nicht erhalten, schrieb er in einem Brief ans SRF – und er behielt recht in seiner Beharrlichkeit.
Vergangene Woche ist Mathias Gnädinger 74-jährig an den Folgen eines Oberschenkelbruchs gestorben. Der Hunkeler war nur eine von vielen Figuren, die er gespielt hat: In gut 70 Filmen hat Gnädinger mitgewirkt und rund 130 Theaterrollen verkörpert. In seinem letzten Kinofilm, den er im vergangenen Herbst unter der Regie von Stefan Jäger drehte, verschlug es ihn dann bis in den fernen Osten: Gnädinger spielt darin einen früheren Schwingerkönig, der in Japan das Leben nochmals neu geniessen lernt. «Der grosse Sommer» heisst der Film, er soll im Januar 2016 in die Kinos kommen.
«Er wusste nicht, wo er sonst hätte leben wollen in der Schweiz. Sicher nicht in einer Stadt, die von lauter Schweiz umgeben war», schrieb Hansjörg Schneider einst über seinen Kommissar Hunkeler. Der Satz könnte auch für Gnädinger stehen: In Ramsen an der Grenze zu Deutschland aufgewachsen, lebte er bis zu seinem Tod in Stein am Rhein.