«Der lätscht Fall»: Slapstick statt Hasselhoff

Nr. 41 –

Mit Floppy Disks die Welt retten: Der vierte und letzte Teil von «Tschugger» zeigt einmal mehr, wieso die Serie um den grössenwahnsinnigen Walliser Polizisten Bax so gut und vergnüglich ist.

Filmstill aus der Filmfassung von «Tschugger»: David Constantin als Polizist Bax überreicht einen Blumenstraus
Liebenswürdig und tollpatschig: David Constantin als Polizist Bax (Mitte). Foto: Dominic Steinmann, SRF

Noch 32 Minuten bleiben Valmira und Smetterling, um die Welt zu retten. Dann wird die Atomrakete, deren Start Smetterling unfreiwillig ausgelöst hat, nicht mehr zu stoppen sein. Das geheime Raketensilo wurde während des Kalten Kriegs im Auftrag der USA im Walliser Hinterland erstellt. Und entgegen dem Auftrag der USA ein paar Jahre später wurde sie nicht wieder zurückgebaut: Die korrupten Lokalpolitiker sackten viel Geld für den Rückbau ein, liessen die Anlage jedoch stehen. «Scheiss Boomer», so Valmiras trockener Kommentar, «ischi Generation müess alles üsbadu.»

Um die Rakete zu stoppen, brauchen die beiden die Floppy Disk, die sich in der Hemdtasche von Bax befindet. Dieser ist jedoch gerade anderweitig beschäftigt: Um eine «arabische Prinzessin», wie er sie nennt, zu retten, versucht er, vom Dach des neuen Polizeiautos auf den Flügel eines startenden Kleinfliegers zu klettern. Doch anders als bei Tom Cruise in «Mission Impossible», der selbstverständlich auch noch eine Topfigur macht, wenn er im Anzug an einem startenden Flugzeug hängt, ist das beim Walliser Tschugger nicht der Fall: Bax’ Hose reisst bei einer spagatartigen Verrenkung zwischen Flugzeug und Auto, und seine farbige Unterhose kommt zum Vorschein.

Das Wallis kann es

Als Bax, der grössenwahnsinnige Möchtegerncowboy aus dem Wallis, 2021 die Schweiz eroberte, war die Begeisterung einhellig. Die Serie, hinter der als Koregisseur, Mitautor und Protagonist Bax der Walliser David Constantin steht, stellte endlich den Gegenbeweis auf zur ewigen Behauptung, die Schweiz könne keine Filmkomödien: Zumindest das Wallis kann es.

Das zeigt als krönender Abschluss auch die vierte und leider letzte Staffel «Der lätscht Fall», diesmal zuerst als Kinofilm, dann als Serie im Fernsehen. Warum «Tschugger» so gut funktioniert, lässt sich auf eine einfache Formel bringen: «Speak local, think global.» Der Humor der Serie lebt zu einem grossen Teil von den schlagfertigen Dialogen in Walliserdeutsch: Der Dialekt, der für die «Grüezini», wie die Deutschschweizer:innen im Wallis genannt werden, schon für sich schräg klingt, verstärkt die Komik der stets lebensnah und authentisch wirkenden Dialoge. Da die Oberwalliser Polizeistation, auf der Bax und Pirmin arbeiten, vom Unterwallis übernommen wurde, ist die Amtssprache auf dem Posten nun Französisch. Bax kann jedoch kein Wort Französisch, was natürlich zu weiteren lustigen Interaktionen mit seiner Chefin führt.

Während die Sprache im Lokalen verankert ist, denken die Macher:innen der Serie in einem weiteren Horizont. Nicht nur, was den neusten Plot angeht – die Rahmenhandlung spielt in einem Gerichtssaal in den USA, familiäre Geheimnisse führen bis in den Nahen Osten, und eine US-Rapperin wird kurzerhand ins Wallis eingeflogen, um der erfolglosen Musikerin Valmira zum erstrebten Durchbruch zu verhelfen. Sondern auch auf der filmischen Ebene: Bereits in der ersten Staffel waren die Referenzen an US-Cop-Serien aus den achtziger Jahren offensichtlich, die jedoch schonungslos verballhornt wurden. «Wir bedienen halt gerne Klischees, die viele schon vor uns benutzt haben – das ergibt für das Publikum auch einen gewissen Wiedererkennungswert», sagte Constantin vor zwei Jahren in einem Interview. «Wir sind nun mal alle mit ähnlichen Serien aufgewachsen. In meiner Kindheit waren das ‹Knight Rider›, ‹Baywatch› oder ‹The A-Team›. Da hatte ich Spass dran.»

Auch in der neusten Staffel gibt es wie in den amerikanischen Referenzen eindrückliche Explosionen und wilde Autoverfolgungsjagden, gefilmt aus der Totalen und mit mitreissendem Soundtrack unterlegt. So singt während einer Verfolgungsjagd mit der furchtlosen Regina am Steuer Emilíana Torrini fröhlich: «My heart is beating like a jungle drum.» Doch im Unterschied zu den Protagonisten in den Serien aus den Achtzigern ist Bax eben kein knallharter Cop: Mit seiner schlaksigen Statur, seiner liebenswürdigen Tollpatschigkeit und seinem Talent zum Slapstick erinnert er eher an den Stummfilmstar Harold Lloyd als an David Hasselhoff. Dazu passen auch seine ad absurdum geführten abstrusen Ideen, wie zum Beispiel das Umfunktionieren eines Racletteofens zu einem Foltergerät.

Zigaretten führen ins Desaster

Was «Tschugger» schliesslich auch unglaublich vergnüglich macht: wie die Serie mit toxischer Männlichkeit aufräumt, die in den filmischen Referenzen noch reproduziert wird. Bax scheitert konstant daran, ein richtig harter Gesetzeshüter zu sein, und ausgerechnet die Zigaretten, die er mit cooler Pose raucht, führen immer wieder ins Desaster. Dass sich am Ende von «Der lätscht Fall» praktisch alle toxischen Männer quasi selbst erlegt haben, ist nur konsequent.

Und natürlich spielt eine gehörige Portion Sentimentalität mit, wenn die zugespitzte Message am Ende des letzten Teils lautet: Um die Welt zu retten, muss nicht nur mit der toxischen Männlichkeit aufgeräumt werden, man braucht dazu auch die richtigen Freund:innen. Mehr sei hier nicht verraten, ausser dass in einem grossartigen Finale die Nerven der Zuschauer:innen bis zum Ärgsten strapaziert werden und eine Floppy-Disk-Game-Sammlung am Beginn einer wunderbaren neuen Freundschaft steht.

«Tschugger. Der lätscht Fall». Vierte Staffel. Regie: David Constantin. Ab jetzt im Kino, ab 24. Oktober 2024 auf SRF.