Fussball und andere Randsportarten: Von Kelchen und Kannen
Etrit Hasler will einen neuen Meisterpokal für das Schweizer Eishockey
Das hätte Petrus nicht geschickter einfädeln können dieses Jahr: Kaum war die Eishockeysaison vorbei, zog der Frühling ins Land mit all seinen Marotten: Sonnenbrillen, kurze Röcke, abgewählte Regierungsräte. Scheint ja ein gutes Jahr zu werden. Kein Wunder, denn Scherben bringen ja bekanntermassen Glück, und der siegreiche HC Davos beziehungsweise dessen Teamleiter Paul Berri hat seinen Teil dazu beigetragen, indem er bei der Siegesfeier den Meisterpokal kurzerhand versehentlich in Scherben schlug.
Klingt dramatisch, ist aber halb so wild. Wie HCD-Spieler Beat Forster den Medien verriet, geht das Ding jedes Jahr kaputt – ausser natürlich, wenn der ZSC gewinnt und Mathias Seger am Morgen danach mit dem Pokal im Tram den Meisterkater ausschläft. Aber es ist eben nicht jeder Eishockeyspieler ein filigraner Techniker wie Seger. Und ganz ehrlich: Die «urinfarbene» (NZZ) Blumenvase, mit der die Meistermannschaft jeweils belohnt wird, lädt nun auch nicht gerade zu respektvollem Umgang ein – das weiss auch der Eishockeyverband, der das hässliche Plexiglasding gleich dutzendfach hat anfertigen lassen.
Zugegeben – es kann nicht jede Liga einen Pokal haben wie den Stanley Cup der US-kanadischen NHL. Wobei auch die legendäre meterhohe Silberschale, die ein bisschen an ein überdimensioniertes Fernrohr oder eine metallene Hochzeitstorte erinnert, in ihrer über hundertjährigen Geschichte nicht nur Ehrerbietung erfahren hat: So wurde sie schon als Blumenvase und Frühstücksschüssel zweckentfremdet und trotz ihrer Übergrösse von mehreren Mannschaften im Siegestaumel irgendwo stehen gelassen. Seit 1969 ist der NHL dieses Risiko zu gross, und an des Pokals Stelle wird inzwischen eine Kopie verliehen – nicht zuletzt auch, nachdem diverse Diebstahlversuche missglückt waren. Noch schlechter erging es fast nur dem America’s Cup: Die «alte Kanne» wurde schon verbeult, vergessen – und weil ihr Schwerpunkt zu hoch lag und sie dauernd umkippte, wurde ihr der Boden rausgeschlagen.
Ein bisschen respektvoller gehen die Japaner mit ihren Trophäen um: Sowohl im Fussball als auch im Sumo ist die wichtigste Trophäe der Emperor’s Cup – im Sumo eine fast dreissig Kilo schwere Silberschale mit einem Fassungsvermögen von 35 Litern. Um peinlichen Szenen vorzubeugen, hat der Sumoverband jedoch vorsorglich den Deckel verlötet – so trinken siegreiche Sumotori ihren traditionellen Siegersake weiterhin aus Bechern, die in ihren gigantischen Pranken wirken wie Fingerhüte.
Einen präventiven Ansatz muss auch die Fifa verfolgt haben, als sie als Nachfolger des Jules-Rimet-Pokals den aktuellen WM-Pokal (der kreativerweise einfach Fifa-WM-Pokal heisst) anfertigen liess. Die knapp vierzig Zentimeter hohe Statue ist ein unförmiges Ding ohne irgendwelche Öffnungen, aus denen eine Siegermannschaft ihren Siegestrank schlürfen könnte, und repräsentiert auch sonst die Fifa fast perfekt: komplett mit Gold überzogen und innen hohl.
So oder so scheint es, dass die althergebrachten Siegerpokale etwas ausgedient haben. Im Ski gibt es Kristallkugeln, im Tennis gibt es häufiger Glas als Edelmetall, und im Poetry- Slam gibt es ohnehin nur eine Flasche Schnaps zu gewinnen – damit schenkt man sich den Umweg über den Pokal vollends.
Zurück zum Eishockey: Natürlich hätte die Schweizer Eishockeyliga eine ansehnlichere Trophäe verdient. Vielleicht könnte sich ja der HC Davos etwas einfallen lassen – immerhin haben seine Spieler das Ding gerade geschlissen. Und sowieso wäre es Zeit für eine Arno-Del-Curto-Trophäe. Ich stelle mir etwas Kleines, Schmuckloses vor. Einen Kelch aus Bündnerschiefer zum Beispiel, aus dem man nicht gleich flaschenweise Champagner säuft, sondern sich zum Frühlingsanfang einen Schluck oder zwei gönnt. Das würde zur Trainerlegende Del Curto, dem Meister des Understatements, ganz gut passen.
Etrit Hasler wurde noch nie Meister.
Unter dem Titel «Fussball und andere Randsportarten» hat die WOZ die besten Kolumnen von Etrit Hasler und Pedro Lenz als Buch herausgegeben. Es ist unter www.woz.ch/shop/buecher erhältlich.