Kolumbien: Der Krieg ist zurück

Nr. 22 –

Wenn es bei Verhandlungen ans Eingemachte geht, flammen Kämpfe auf. So auch jetzt bei Gesprächen zwischen den Farc und Kolumbiens Regierung.

Im Grunde ist es eine Binsenweisheit: Wo Friedensverhandlungen geführt werden, da herrscht Krieg. So ist es auch in Kolumbien. Seit November 2012 verhandelt der rechtsgerichtete Präsident Juan Manuel Santos in Kubas Hauptstadt Havanna mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (Farc) über ein Ende des schon über fünfzig Jahre dauernden Bürgerkriegs. Zuletzt sah es ganz gut aus: Am 20. Dezember 2014 riefen die Farc einen unbefristeten einseitigen Waffenstillstand aus, und sie haben ihn, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auch eingehalten. Santos reagierte im März mit der Einstellung der Bombardements von Guerillalagern. Das ist jetzt vorbei.

Nach dem Angriff einer Farc-Einheit auf einen Militärposten Mitte April – elf Soldaten wurden getötet – hat Santos am vergangenen Donnerstag wieder Luftangriffe angeordnet. Seither gibt es fast täglich ein neues Bombardement, mindestens vierzig Guerilleros und Guerilleras wurden getötet. Als Antwort hoben die Farc den Waffenstillstand wieder auf. Pablo Catatumbo, einer ihrer UnterhändlerInnen in Havanna, sprach von «einem Schritt zurück»; die Luftangriffe seien «der falsche Weg». Die Regierungsvertreter hüllten sich zunächst in Schweigen.

Verhandlungsdruck per Offensive

Trotzdem steht der Friedensprozess nicht vor dem Aus. Die Erfahrung früherer Verhandlungslösungen in Lateinamerika zeigt: Immer wenn ein entscheidender Punkt auf der Agenda stand, hat jede Seite versucht, ihre GesprächsführerInnen mit militärischen Aktionen zu unterstützen. Die Friedensverhandlungen zwischen der rechtsradikalen Regierung El Salvadors und der linken FMLN kamen überhaupt erst richtig in Gang, nachdem die Guerilla in einer Grossoffensive im November 1989 mehrere Tage lang die halbe Hauptstadt besetzt hatte. Eine weitere Grossoffensive war nötig, um Regierung und Armee dann zur Unterschrift unter einen Friedensvertrag zu drängen.

Gemeinsame Minenräumung

Bei den Verhandlungen über einen Frieden in Kolumbien schien es zunächst ganz ordentlich zu laufen. Zuletzt einigten sich Regierung und Farc auf die Zusammenarbeit beim Räumen von Antipersonenminen. Abkommen über solche eher humanitären Aspekte – auch das zeigt die Erfahrung – gehören zu den einfacheren Übungen. Sie stehen immer am Anfang von zähen Verhandlungen. Jetzt aber geht es in Havanna um Substanzielles: Was passiert mit den Farc, wenn der Krieg einst vorbei sein sollte? Die Regierung will – kurz gesagt – eine Gleichbehandlung der Guerilla mit den schon mehrfach demobilisierten und immer wieder aufgetauchten rechten Todesschwadronen der Paramilitärs, die im Krieg die Schmutzarbeit der Armee übernommen haben. Das heisst: Die Chefs der Farc müssten ins Gefängnis, wenn auch zu reduzierten Strafen. Die aber wollen eine wichtige Stimme in der Politik Kolumbiens werden.

Alle lateinamerikanischen Friedensverträge enthalten eine Amnestie für die Aufständischen. Das ist der juristische Ausdruck dafür, dass die Regierung den stets des Terrorismus bezichtigten Gegner nun als politische Kraft akzeptiert. Noch wehrt sich Santos gegen diesen notwendigen Schritt. Er will weiterhin eine durch einen Friedensvertrag versüsste Kapitulation der Farc. Dagegen stellt sich die Guerilla.