Griechenland: Renten statt Raketen

Nr. 25 –

Selbst der rechte Koalitionspartner von Syriza scheint bereit, Militäreinsparungen mitzutragen. Bei den europäischen Waffenexportnationen ist das nicht so klar.

In Athen wird hin und her überlegt, wo man noch sparen könnte. In den letzten Tagen rückte das Militärbudget in den Fokus. Denn Griechenland gibt für die Verteidigung seit Jahrzehnten prozentual mehr aus als die meisten anderen europäischen Staaten. Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri hat Griechenland letztes Jahr rund 4 Milliarden Euro (2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) für das Militär freigestellt. Im Vergleich dazu betrugen die deutschen Militärausgaben 35 Milliarden (1,2 Prozent des BIPs). Dabei haben die griechischen Regierungen seit Beginn der Krise bereits fast fünfzig Prozent der Militärkosten eingespart: 2009 lagen die Militärausgaben noch bei 7,6 Milliarden Euro.

Druck, die Militärausgaben weiter zu kürzen, kam am Montag von der deutschen Grünen-Politikerin Claudia Roth. Die Bundestagsvizepräsidentin sagte im Deutschlandfunk: «Warum um alles in der Welt geht man in Griechenland nicht ran an einen monströsen Verteidigungsetat? Da könnte man doch einsparen.»

Viele EU-Länder profitieren

Roth sprach aber auch an, weshalb Athen in diesem Bereich bisher kaum internationalen Druck verspürt: Von Griechenlands Militärausgaben würden «viele Länder der Europäischen Union profitieren». Tatsächlich ist etwa für Deutschland und Frankreich, die beiden grossen europäischen Waffenexporteure, Griechenland einer der wichtigsten Absatzmärkte: Gemäss Daten des Sipri exportierte Deutschland in den Krisenjahren von 2010 bis 2014 militärisches Material im Gegenwert von rund 551 Millionen US-Dollar nach Griechenland, und Frankreich lieferte Waffen im Wert von rund 136 Millionen US-Dollar nach Athen.

Laut einem Schreiben der griechischen Regierung vom Dienstag will diese nun tatsächlich das Militärbudget weiter senken. Am Montag veröffentlichte die Athener Zeitung «Kathimerini» die Reformliste, die die Regierung am Wochenende der EU-Kommission und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vorgelegt hatte. Dort steht, dass der Verteidigungsetat um 200 Millionen Euro gekürzt werden soll, wenn so die Kürzung kleiner Renten aufgeschoben werden kann. Diese Idee sei nicht schlecht, sagen ExpertInnen, beim Militär sei im Gegensatz zu den Renten noch Luft.

Den Kompromiss – keine weiteren Rentenkürzungen, dafür Senkung des Militäretats – hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker unterstützt; er wurde von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten François Hollande gebilligt. Doch dann habe der IWF den Vorschlag torpediert, meldete die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» am Wochenende: Man akzeptiere keine Tauschgeschäfte dieser Art. Das zumindest sagten anonyme UnterhändlerInnen gegenüber dem Blatt – der IWF dementiert.

Auskünfte zum genauen Verlauf der Reduzierung von Militärausgaben gibt es in Griechenland allerdings noch nicht. Im Verteidigungsministerium stand in diesen Tagen niemand für ein Gespräch zur Verfügung. Für Manos Tsaldiadis, Militärspezialist und Journalist der linken Tageszeitung «Efimerida ton syndakton», ist bereits klar: «Es wird wohl nicht bei der Rüstung gespart, sondern intern umstrukturiert werden.» Denn auch die linke Syriza sieht – wie weite Teile der Bevölkerung – eine latente Bedrohung durch den Nachbarstaat Türkei: Immer wieder verletzten Militärflugzeuge die Grenze zum griechischen Luftraum.

Militärcamps gut fürs Geschäft

Die Nato halte sich hier zurück, so Tsaldiadis. «Daher sind die hohen Ausgaben für die militärische Ausrüstung notwendig», meint der Journalist. Es gebe jedoch zahlreiche Militärausbildungscamps, die überall im Land verstreut seien und unnötig viel kosteten: «Die vergangenen Regierungen förderten in ihren Wahlbezirken diese Camps. Die Soldaten dort sind Kunden für die Bars, Taxis und Geschäfte.» Der Plan der Regierung sei nun, einige der Camps zu schliessen und andere an strategisch sinnvollen Orten zu platzieren – hauptsächlich in der Nähe zur türkischen Grenze.

Die Militäreinsparungen könnten allerdings innerhalb der Koalition der Syriza mit der Rechtspartei Unabhängige Griechen (Anel) für Spannungen sorgen. Immerhin ist der Anel-Vorsitzende Panos Kammenos auch Verteidigungsminister. Der linke Militärspezialist Tsaldiadis wittert hier aber keine grosse Gefahr: «Aus Gesprächen mit Anel-Vertretern weiss ich, dass auch sie an einer Umstrukturierung interessiert sind, weil so das Militär gestärkt wird.»

Mitarbeit: Markus Spörndli.