Schweden: Rechtsruck mit Ansage
Die sozialdemokratisch dominierte Regierung steht vor der Abwahl, bald könnten die rechtsextremen Schwedendemokraten mitregieren.
Das definitive Resultat der schwedischen Parlamentswahlen lag bis Redaktionsschluss noch nicht vor; es wurde für den Erscheinungstag dieser WOZ angekündigt, wenn alle Auslandsstimmen ausgezählt sind. Es zeichnet sich jedoch ein Regierungswechsel ab – wenn auch äusserst knapp.
Zwar bleiben die Sozialdemokrat:innen mit aktuell 30,5 Prozent deutlich die stärkste Kraft, doch die Hochrechnungen sehen für das linke Wahlbündnis insgesamt nur 174 Parlamentsmandate vor und damit genau ein Mandat zu wenig für die Mehrheit. Der rechtskonservative Block kommt auf 175 Mandate und hat dies massgeblich den Schwedendemokraten zu verdanken. Die rechtsextreme Partei mit neonazistischen Wurzeln ist neu die zweitstärkste Kraft (20,6 Prozent) und hat damit die konservativen Moderaten (19,1 Prozent) abgelöst. Die Schwedendemokraten könnten somit erstmals Teil der Regierung werden.
Lieber Original als Kopie
Parteien vom äussersten rechten Rand gewinnen nie aus eigener Kraft die Macht. Dazu bedürfen sie immer der Hilfe anderer. Im Fall Schwedens waren es die Parteien des bürgerlichen Spektrums – die Moderaten, die Christdemokrat:innen und die Rechtsliberalen –, die die bisherige gemeinsame Linie aller Reichstagsparteien, «niemals mit den Schwedendemokraten», durchbrachen und sich mit ihnen zu einer Regierungsalternative verbündeten. Sie übernahmen auch gleich deren Agenda. Kriminalität und Migration wurden zentrale Wahlkampfthemen, und das Resultat bestätigte eine weitere Wahrheit: Die Wähler:innen entscheiden sich lieber für das Original. Alle drei konservativ-rechtsliberalen Parteien verbuchten Verluste, während die Schwedendemokraten kräftig um 3,1 Prozent zulegten. Schweden ist nun das Land mit einer der stärksten rechtsextremen Parteien Europas.
Die Sozialdemokrat:innen schlossen sich diesem Rechtsschwenk an. Statt mit kühlem Kopf zu argumentieren, dass die offizielle Kriminalstatistik der letzten Jahrzehnte den behaupteten Trend zur schweren Gewaltkriminalität widerlegt, glaubte die erste weibliche Parteivorsitzende Magdalena Andersson, mit repressiven Rezepten punkten zu können. Regelrechtes Entsetzen innerhalb der eigenen Partei löste sie mit populistischen und rassistisch aufgeladenen Sätzen aus, etwa: «Wir wollen in Schweden kein Somalitown haben.» Hatte die bisherige Ministerpräsidentin bei ihrem Amtsantritt vor neun Monaten versprochen, die wachsende Ungleichheit im Lande und die Klimapolitik würden Schwerpunkte ihrer Arbeit sein, war davon weder in ihrer bisherigen Amtszeit noch im Wahlkampf etwas übrig geblieben.
Arbeiterklasse wendet sich ab
Die Folgen dieses Verzichts auf klassische sozialdemokratische Themen zeigten sich am deutlichsten in Nordschweden. Die Menschen dort fühlen sich schon lange mit ihren Alltagsproblemen wie dem stetig weiteren Abbau sozialer Infrastruktur alleingelassen und kehrten in Scharen den Sozialdemokrat:innen, aber auch der Linkspartei den Rücken. «Die Arbeiterklasse entschied diese Wahl, die Sozialdemokrat:innen haben sie verloren», konstatiert Daniel Suhonen, Chef des gewerkschaftlichen Thinktanks Katalys.