Endlagersuche: «Man sollte den Atommüll sehen, nicht vergraben»
Elisabeth Burgener gründete 2010 den Verein Kaib (Kein Atommüll im Bözberg) mit. Und wehrt sich gegen den Standortfindungsprozess: Die Methoden der Nagra seien undemokratisch.
Der Bözberg liegt im Kanton Aargau, zwischen Brugg und Frick. Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) hat ihn schon länger als möglichen Lagerstandort im Visier. Vor einigen Wochen gab die Nagra bekannt, dass sie nur noch zwei Standorte im Visier hat: das Zürcher Weinland und eben den Bözberg (siehe WOZ Nr. 11/2015 ).
Elisabeth Burgener, die mit ihrer Familie in Gipf-Oberfrick gleich neben Frick lebt, bekämpft die Endlagersuche der Nagra. Es sei zukünftigen Generationen gegenüber unfair, überstürzt zu handeln und die Bevölkerung nicht einzubeziehen, meint die Werklehrerin, die für die SP im Kantonsparlament sitzt: «Seit bald fünfzig Jahren sind in der Schweiz Atomkraftwerke in Betrieb. Und fast genauso lange sucht die Nagra eine Antwort auf die Frage: Wie entsorgt man hochgiftigen Atommüll, der eine Million Jahre strahlt?»
Kein direktes Mitspracherecht
Vor fünf Jahren – als sich die Pläne der Nagra konkretisierten – gehörte Burgener zu den MitgründerInnen des Vereins Kaib (Kein Atommüll im Bözberg). Dieser möchte den Leuten in der Gegend eine unabhängige Stimme geben. Denn seit der Revision des Kernenergiegesetzes vor zehn Jahren hat die Bevölkerung, die unmittelbar vom Endlager betroffen sein wird, kein direktes Mitspracherecht mehr. Im Gegensatz zu den NidwaldnerInnen, die den Bau des einstigen Endlagerprojekts im Wellenberg noch an der Urne ablehnen und so verhindern konnten.
Um die Bevölkerung trotzdem einzubeziehen, hat das Bundesamt für Energie (BFE) ein sogenanntes Mitwirkungsverfahren entwickelt: In jedem potenziellen Standortgebiet wurden Regionalkonferenzen eingerichtet, in denen VertreterInnen der betroffenen Gemeinden Wünsche und Kritik am Endlagerprojekt einbringen können. «Diese Regionalkonferenzen sind höchst undemokratisch», kritisiert Burgener. «Grundsätzlich müsste man den ganzen Prozess weg von der Nagra in die demokratischen Abläufe und damit in die lokalen und kantonalen Parlamente bringen.»
Wie aber will Burgener als Nichtgeologin mit den ForscherInnen der Nagra mitreden können? «Mein Teil an der Spitze dieser Bewegung ist das Mobilisieren und Vernetzen», sagt sie: «An den Veranstaltungen der Nagra und des BFE wird an der Bevölkerung vorbeiinformiert. Die Partizipation in den Regionalkonferenzen ist für uns eine Farce.» Kaib ist deshalb aus den Arbeitsgruppen der Regionalkonferenz ausgetreten und nimmt nur noch an deren Plenumssitzungen teil.
Müsste das Problem nicht international gelöst werden – in Lagern für mehrere europäische Länder? «Vielleicht», sagt Burgener, «aber die Meinung ‹Atommüll raus!› halte ich für genauso falsch wie die Parole ‹Ausländer raus!›. Die Schweiz muss Verantwortung übernehmen.»
Eine Lösung könne es nur geben, wenn sich alle mitverantwortlich fühlten. Doch dafür sei das Thema Energie für viele zu abstrakt geworden: «Niemand fühlt sich mehr selbst betroffen», stellt Burgener fest. «Der Strom ist zu günstig, und die AKW-Betreiber und die Nagra agieren wie ein Staat im Staat.» Das habe dazu geführt, dass viele bezüglich Atommüll auf einem Auge blind seien. «Viele trennen die Produktion von Atomstrom von der Frage, wie man den radioaktiven Müll entsorgen soll. Ich bin in der Frage des Atommülls nicht weit von einem Teil der SVP entfernt, energiepolitisch hingegen stehe ich auf einer ganz anderen Seite.»
Eingeständnis als Chance?
Wenn nun aber der Müll nicht im Bözberg vergraben wird, wo dann? «Momentan bin ich der Meinung, dass man ihn sehen und nicht vergraben sollte, denn viele Fragen der Tiefenlagerung sind unbeantwortet. Wie markiert man so ein Lager für die nächsten 30 000 Jahre und länger? Wie holt man den Müll zurück, falls es mal notwendig sein sollte oder bessere Entsorgungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen? Müsste man den Ort bewachen, und wer würde das tun?»
Tatsächlich hat die Nagra kein Konzept, wie man den Abfall – nachdem das Lager gefüllt und versiegelt ist – zurückholen könnte. Auch würde es, nachdem es einmal verschlossen ist, nur noch fünfzig Jahre überwacht und danach sich selbst überlassen. «Ich erachte das als äusserst fahrlässig», konstatiert Burgener. Sie ist überzeugt, dass man einen Schritt aufeinander zugehen könnte: «Indem man zugibt, dass es keine eindeutige Antwort gibt.»
Die inzwischen rund 800 Kaib-Mitglieder kommen aus allen politischen Richtungen. Elisabeth Burgener würde den Verein in Zukunft gerne klarer positionieren – und dafür auch in Kauf nehmen, dass einige Mitglieder austreten.
«Ich hätte gerne in den Statuten verankert, dass die Atommüllfrage erst dann geklärt wird, wenn wir die AKWs abschalten. Ich hoffe, dass, sobald die Energiewende wirklich kommt, sich Leute über das linke Spektrum hinaus dafür engagieren.»