Medien: Zonen-René tritt sein Amt an
Und wieder ist in der rechten Medienoffensive eine Schlüsselstelle besetzt: René Scheu übernimmt das NZZ-Feuilleton. Beunruhigend sind nicht seine Texte.
René Scheu mag die Debatte. Seine Texte unterschreibt er mit: «René Scheu ist promovierter Philosoph und Herausgeber des liberalen Autoren- und Debattenmagazins ‹Schweizer Monat›». Dabei lässt er – ganz Liberaler – durchaus andere Meinungen zu: So lud er schon SP-Präsident Christian Levrat und SVP-Milliardär Christoph Blocher für sein Heft zum Gespräch. Scheu mag die Debatte, solange er sie inszeniert. Nun wurde er auf Anfang des nächsten Jahres zum Feuilletonchef der «Neuen Zürcher Zeitung» bestimmt. Gerne hätte die WOZ mit ihm über seine politischen Ideen und publizistischen Absichten gesprochen. «Hundert Tage nach Amtsantritt bin ich je nachdem gerne zu einem Gespräch bereit», lautet seine Antwort.
Aufs grosse Ganze
Die Rede vom Amt lässt darauf schliessen, dass Scheu schon länger auf seinen Antritt gewartet hat. 2006 machte ihn der St. Galler Privatbankier Konrad Hummler zum Mitherausgeber der «Schweizer Monatshefte». Dass Hummler gleich auch einen sechsstelligen Betrag ins Magazin investierte, das bald unter dem Titel «Schweizer Monat» erschien, hat er nie dementiert (siehe WOZ Nr. 13/11 ). Hummler stand damals im Zenit seiner Karriere. Er war Verwaltungsrat der NZZ, wurde später ihr Verwaltungsratspräsident. Dann klagte das US-Justizdepartement seine Privatbank wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung an.
Es wäre durchaus interessant gewesen, Scheu ein paar Fragen zu stellen: ob Hummler schon damals Markus Somm als NZZ-Chefredaktor wollte, wie die «Schweiz am Sonntag» meldete. Und ob für Scheu schon damals ein Platz vorgesehen war. Warum die Inthronisierung von Somm letztes Jahr definitiv scheiterte und welche Rolle dabei der bisherige NZZ-Feuilletonchef Martin Meyer spielte, der sich nun in Pension schickt. Oder was der neue Chefredaktor Eric Gujer mit dem Geheimdienst zu tun hat. Ironischerweise publizierte der «Monat» den entsprechenden Primeur, bemerkte ihn aber selbst nicht. Überhaupt, wie es zu- und hergeht zwischen der FDP und der SVP bei der Auseinandersetzung um die NZZ. Geht es um Meinungsunterschiede oder bloss um Duftnoten?
So bleibt die Lektüre von Scheus Texten, die im «Monat» erscheinen («Ohne Scheuklappen») und als Kolumne in der «NZZ am Sonntag». Sie zeigen, dass ihn die feinen Fragen der Macht, darunter die nach der persönlichen Abhängigkeit, nicht besonders interessieren. Scheu zielt aufs grosse Ganze – und erschöpft sich dabei meist in der immer gleichen Feststellung: Wir leben in einer «mitteleuropäischen Wohlstandszone», die unter dem «Semi-Sozialismus» leidet. Den Begriff hat Scheu von seinem Vorbild Peter Sloterdijk übernommen, der Philosoph tritt in jeder zweiten Ausgabe des «Monats» auf.
Gemäss der These vom «Semi-Sozialismus» hat die Forderung nach einer egalitären Gesellschaft zu einem Wohlfahrtsstaat geführt, der die Einzelnen an ihrer Entfaltung hindert. Statt auf Ansprüche zu pochen, sollte man selbst Verantwortung übernehmen. Wobei es dafür ja keine finanzielle Chancengleichheit brauche, wie Garagistensohn Scheu am Beispiel der Erbschaftssteuer ausführte: «In einer echten Leistungsgesellschaft zählen jedoch nicht nur Talent, Einsatz und Risikobereitschaft der Individuen. Hier werden auch die Früchte persönlicher Leistung allseits geachtet – und nicht angetastet.» Der vermeintlich wahre Egalitarismus erweist sich am Ende doch nur als der alte Elitarismus.
Dienstfertige Bewunderer
Von der «Weltwoche» zur «Basler Zeitung», von der NZZ bis zur SRG rollt eine rechte Medienoffensive durchs Land. An dieser ist auch Scheu beteiligt, mit einem Buch für die Privatisierung des Rundfunks. Seine Wirkung aufs NZZ-Feuilleton wird sich erst zeigen: Heute setzt es vor allem auf gründliche Rezensionen. Ersetzt Scheu diese nun mit seinen Debatten, die sich selten um Kultur drehen? Seine Wahl ist auf alle Fälle ein Hinweis darauf, dass sich die Unternehmensleitung einen akzentuierten ideologischen Kurs wünscht. Das ist denn auch das eigentlich Beunruhigende an der Ernennung: Den Financiers einer rechten Medienpolitik – neben Hummler vor allem Christoph Blocher und Tito Tettamanti – ist es bei zahlreichen Titeln gelungen, entscheidende Posten mit dienstfertigen Bewunderern zu besetzen. Journalistische Karriere macht man heute am einfachsten rechts. Das Gerücht vom linken Medienmainstream war nie falscher.