Fussball und andere Randsportarten: Nacktbilder und knutschende Lesben

Nr. 28 –

Etrit Hasler über sexistische Berichterstattung zur Fussball-WM

Vielleicht haben Sie es mitbekommen: Letzten Sonntag haben mehrere Frauen Sportgeschichte geschrieben. Einerseits war da Nora-Eugenie Gomringer, die das teuerste Wettlesen der Welt gewonnen hat (ist ja auch Sport), und andererseits das US-Nationalteam, das mit einem triumphalen 5 : 2 gegen ein tapfer kämpfendes Japan zum dritten Mal Fussballweltmeister wurde.

Während es das erste Ereignis in die Abendausgabe der «Tagesschau» schaffte, wurde dem zweiten in der Schweiz eher weniger Aufmerksamkeit beschert – zumindest nach dem Ausscheiden der Schweizer Equipe. Die grosse Ausnahme war die Pendlerpostille «Blick am Abend», die sich allerdings weniger für den Final (immerhin ein fantastisches Spiel mit einem «echten» Hattrick und einem Tor von der Mittellinie – so ein unterhaltsames Spiel hat man an der Männer-WM seit dreissig Jahren nicht mehr gesehen) als für die amerikanische Torhüterin Hope Solo interessierte – und, ganz «Blick», ein uraltes Nacktbild von Solo zur Illustration verwendete.

Darüber empörte sich Ex-Pendlerzeitungs-Kolumnist Bänz Friedli. Dieser stellte kurzerhand einen offenen Brief ins Netz, in dem er sich über die «schäbige, dumme und frauenverachtende Berichterstattung» beschwerte, mit der das Gratisblatt «den Sport ins letzte Jahrhundert» zurückwerfe.

Natürlich ist Friedlis Kritik berechtigt, und dass er seine Bekanntheit verwendet, um dies anzuprangern, ist ehrenhaft. Nur leider greift sie etwas zu kurz. So war es nicht nur die – zugegeben doofe – Montage mit dem Nacktbild Solos, die einen über die Seriosität der Berichterstattung nachdenken liess. Dass SRF-Kommentator Dani Wyler es schaffte, das ganze Finalspiel hindurch die US-Torhüterin (neben Marta immerhin die bekannteste Fussballerin überhaupt) konsequent «Sulu» statt «Solo» zu nennen, darin mögen zumindest die Science-Fiction-Fans noch ein gewisses Amüsement gefunden haben. Dass Sascha Ruefer seine Moderation des Halbfinals verschlief, weil er den Einsatzplan nicht genau gelesen hatte, ist ein bisschen peinlich. Wobei, höchstens halb so peinlich wie die Studiogespräche mit Exfussballerin und Coach Nora Häuptle, die im Unterschied zu dem, was wir von männlichen Fussballexperten gewohnt sind, so kompetent über Aufstellungen, Taktik und Spielsituationen referierte, dass ihr Gegenüber Paddy Kälin nur überfordert Banalitäten dazwischenstottern konnte.

Auch im Heimatland der Weltmeisterinnen konzentrierte sich die Berichterstattung zur WM auf bizarre Nebengeschichten: Das zur «Washington Post» gehörende Onlinemagazin «Slate» fragte nach sexistischen Motiven, nachdem Hope Solo beim Wassertrinken lasziv in Zeitlupe in Szene gesetzt worden war. Und nach dem Final war der Sieg der US-Amerikanerinnen die weniger grosse Nachricht als die, dass Einwechselcaptain Abby Wambach zur Feier ihre Ehefrau vor laufenden Kameras küsste. Sie habe «ihre Karriere mit einem schönen Kuss – und der Weltmeistertrophäe beendet», berichtete CNN. Und selbst die japanische Tageszeitung «Mainichi Shimbun» konnte sich den Titel «Japan emotional nach Niederlage» nicht verkneifen – illustriert mit Bildern der heulenden japanischen Nationalspielerinnen.

Sexismus und Sport gehen einher – und das auch im 21. Jahrhundert. Es ist zehn Jahre her, seit Sepp Blatter (natürlich im «SonntagsBlick») die Idee äusserte, Fussballerinnen sollten kürzere Höschen tragen, weil «heutzutage auch schöne Frauen Fussball spielen». Drei Jahre ist es her, seit der Amateurweltboxverband forderte, Boxerinnen sollten doch in Röckchen kämpfen.

Bis es eine Berichterstattung über Sport gibt, die nach gleichen Massstäben über Frauen und Männer (und von mir aus alles dazwischen) berichtet, müssen wir vielleicht noch bis zum nächsten Jahrhundert warten.

Etrit Hasler lebt in St. Gallen und hat vor Urzeiten mal in den USA gelernt, dass Frauen sowieso die besseren FussballerInnen sind als Männer.