Pharmaindustrie: Antikrebspillen: Seco lobbyiert für Novartis
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) macht sich einmal mehr zum Anwalt der Pharmaindustrie. Der aktuelle Fall: Kolumbien. 20 000 Franken jährlich kostet dort eine Behandlung mit dem Antikrebsmittel Glivec von Novartis. 12 600 Franken beträgt das Pro-Kopf-Einkommen. In einem jahrelangen Rechtsstreit hat sich Novartis in Kolumbien ein Patent für Glivec erkämpft. Die rund siebzig Prozent billigeren Generika sind seit dem Gerichtsentscheid vor drei Jahren vom Markt verschwunden. Diese Monopolstellung beschert Novartis Millioneneinnahmen. Dem ohnehin arg überstrapazierten kolumbianischen Gesundheitssystem auf der anderen Seite erwächst daraus jährlich eine Mehrbelastung von fünfzehn Millionen Franken. Nun könnte Kolumbien wagen, was sich nur wenige Entwicklungsländer trauen: dem Pharmariesen Novartis den Kampf ansagen.
Glivec wurde im Frühling auf die WHO-Liste der unentbehrlichen Arzneimittel gesetzt. Theoretisch also sollte das Mittel für alle, die es benötigen, verfügbar und erschwinglich sein. Praktisch wissen das die Pharmakonzerne und ihre protektionistischen Regierungen durch wirtschaftlichen Druck meist zu verhindern. In Kolumbien drängen nun verschiedene NGOs ihre Gesundheitsbehörde dazu, Glivec als «von öffentlichem Interesse» einzustufen. Wird ihr Gesuch bewilligt, könnte das Land eine Zwangslizenz für das Antikrebsmittel erteilen – was den Weg für Generika wieder frei machen würde. Das Seco reagierte prompt: In einem öffentlichen Schreiben bezeichnet es Zwangslizenzen als «Patententeignungen» und als schädlich für die «Innovationskraft der Pharmabranche».
Das sorgt bei einer breiten Koalition nationaler und internationaler NGOs für Empörung. Ebenfalls in einem offenen Brief weisen sie den Bundesrat darauf hin, dass Kolumbien «souverän über gesundheitspolitische Massnahmen zugunsten seiner Bevölkerung entscheiden kann». Als Unterzeichnerin der WTO-Abkommen hat sich daran auch die Schweiz zu halten.