Kost und Logis: Regional reicht nicht

Nr. 39 –

Bettina Dyttrich kauft am liebsten beim Wandern ein

Die Idee ist ja gut: regionale Produkte im Supermarkt. «Aus der Region – für die Region» ist eines der erfolgreichsten Standbeine der Migros – kein Wunder, hat Coop mit «Miini Region» nachgezogen. Es ist ein grosses Plus zu wissen, woher ein Produkt stammt. Ganz anders als beim Joghurt im deutschen Supermarkt, bei dem unklar bleibt, ob die Kühe in Bayern oder an der Nordsee gelebt haben.

Trotzdem: Regional genügt nicht. Was genau ist regional an einem Salat aus dem Berner Seeland, wenn der Setzling aus Holland, die Erde aus einem baltischen Torfmoor, der Dünger aus den USA und der Erntehelfer aus Rumänien kommt? Regional ist nicht per se ökologisch oder sozial, da braucht es ein paar Kriterien mehr.

Und die Werbung für die Regionallabels bedient romantische Illusionen. Knapp an der Täuschung vorbei schrammt etwa das Plakat mit den rotbackigen Äpfeln für «Miini Region»: «Früchte von den Bäumen, auf denen ich früher rumkletterte». Kein einziger Apfel, der in den Grosshandel kommt, wächst an einem Baum, auf dem man rumklettern kann. Keiner. Auch nicht im Biosortiment. Sie stammen alle aus Niederstammanlagen. Aber das wusste die Werbeagentur vielleicht auch nicht.

Es gibt sie zwar, die kleinen, vielfältigen Betriebe, die fast so romantisch aussehen wie in der Werbung. Nur können sie die Grossverteiler gar nicht beliefern, weil die nicht an kleinen Mengen interessiert sind. Wer ihre Spezialitäten möchte, muss auf die Suche gehen. Das ist zwar aufwendig, lässt sich aber gut mit Wanderungen verbinden. Am Napf zum Beispiel: Zwanzig Minuten östlich des Gipfels liegt die Stächelegg, wo es Trockenfleisch, Käse und wunderbaren Kuchen zu kaufen gibt (auch wenn das viele WanderInnen verpassen, weil sie nur am Kafi Schnaps interessiert sind). Zwanzig Minuten südlich des Gipfels, beim Grüebli, findet man einen der schönsten Hofläden der Schweiz. Die legendäre, von Kopf bis Fuss tätowierte Biobäuerin Heidi hat ihn liebevoll eingerichtet.

Beide Orte sind nur zu Fuss erreichbar, doch inzwischen hat das Grüebli expandiert und zusammen mit anderen Höfen im ehemaligen Wartsaal von Trubschachen im Emmental den «BahnHOFladen» eröffnet. Die zehn Höfe stellen sich mit Text und Bild vor, eine Karte an der Wand zeigt, wo sie sind. Hier gibts Brot, Eier und Käse, Eingemachtes und Kräutersalz, Kuchen, Glace und Tee, aber auch Filzwolle, Blumensamen, Stofftiere und Heidis augenzwinkernde Näharbeiten: Da liegt die Kuh auf der pinken Weide, als wäre sie auf dem Weg zur Gay Pride, und auf dem spitzenbesetzten Täschli prangt ein Schweinefüdli.

Die Ausstattung des Ladens ist genauso kitschig wie die «Miini Region»-Werbung. Aber hier stimmt es: Käse vom Hof, an dem ich gerade vorbeigewandert bin.

Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin. 
Der «BahnHOFladen» hat eine 
Website (www.bahnhofladen.ch) 
und will demnächst auch einen 
Onlineshop eröffnen.