Permakultur: Mehr Humus und Vielfalt braucht die Erde

Nr. 5 –

Permakultur will vieles sein: eine Alternative für die Landwirtschaft, Weltanschauung, Lebensphilosophie. Unterwegs in einer Welt, in der fiebrige Aufbruchstimmung herrscht – und auch seltsame ideologische Blüten spriessen.

  • Boden isoliert am besten: Im Erdkeller lagern die Schmids vom Permakulturhof Morgarot Kartoffeln und Wintergemüse.
  • Ein Wintertag im Januar, hoch über Altstätten an der Westflanke des St. Galler Rheintals: Hier betreiben Manuela und Marcel Schmid seit drei Jahren Permakultur. Teiche spielen dabei eine wichtige Rolle: als Teil des Ökosystems, für das Mikroklima und für die Be­wässerung in Trockenzeiten.
  • Pflanzen, Menschen und Tiere als sich wechselseitig bedingende AkteurInnen: Manuela Schmid mit dem Esel, südostwärts reicht der Blick über das Rheintal bis zu den Gipfeln der Vorarlberger und Liechtensteiner Alpen.
  • Die sogenannte Benjeshecke entsteht fast von selbst: Im Schutz von abgelegtem Gehölzschnitt nisten Vögel, dank ihres Kots verbreiten sich Sträucher.

«Der Humusgeruch ist der Geruch Gottes, der Geruch der Wiederauferstehung, der Geruch der Unsterblichkeit.» Mit diesem dramatischen Dreiklang beendet der Kompostklohersteller Jojo Linder seinen Vortrag am 1. Internationalen Kompost- und Humussymposium (IKHS) im Seminarzentrum Sonnenschmiede in der Nähe von Schwarzenbach im Kanton Bern. Mehrere Dutzend Leute hören zu, auf Kissen, Stühlen oder den mit bunten Decken belegten Heuballen im Heustock, wo die Referate unter dem im Berner Mittelland typischen Walmdach per Videoübertragung zu sehen sind.

Seinen Schlusssatz hat Linder dem Manifest «Scheisskultur – die heilige Scheisse» des österreichischen Künstlers Friedensreich Hundertwasser entlehnt, der schon vor fast vierzig Jahren eine Anleitung zum Bau eines Kompostklos gezeichnet hat. Der religiös aufgeladene Ton passt zum Temperament der Permakultur, dieser Form von alternativem Landbau, der sich viele der gut hundert TeilnehmerInnen des IKHS zurechnen. Das zweitägige Symposium im Oberaargau ist auch ein Stelldichein der Schweizer Permakulturszene: Studentinnen, alternative Bauern, wollige Hippies, Urban Gardeners mit Mammut-Jacken und Trekkingschuhen, Kompostberater, Verkäuferinnen von Wurmfarmen. Sie alle wollen etwas über Bodenpflege lernen, sich vernetzen, manche etwas verkaufen. Und alle sind sie beseelt von der Idee, die Erde zu verbessern, was zunächst einmal heisst: sie humushaltiger zu machen.

Böden zu regenerieren, die landwirtschaftsbedingt verödet sind, ist ein zentrales Anliegen der Permakultur – ein Kofferwort aus den englischen Wörtern «permanent» und «agriculture». Entwickelt wurde sie in den siebziger Jahren von den australischen Umweltwissenschaftlern Bill Mollison und David Holmgren (vgl. «Inspirierend bis haarsträubend» im Anschluss an diesen Text). Dabei geht es darum, auf kleinen Flächen Ökosysteme zu schaffen, die aufgrund ihrer ausgeklügelten Artenvielfalt schön, ertragreich und – so das utopische Ideal in den Büchern der Australier – nahezu selbsterhaltend sind. Pflanzen, Tiere und Menschen werden als sich wechselseitig bedingende AkteurInnen in geschlossenen Kreisläufen möglichst ohne Abfallemissionen angeordnet, in denen das Wohl der einen davon abhängt, dass auch für die anderen das Maximum herausspringt: humusreiche Böden für die Pflanzen, Schädlinge als Futter für die Vögel, die sich in den waldähnlichen Pflanzungen wohlfühlen – und für die Menschen gutes Essen, befriedigende Arbeit und spirituelles Heil. Das gute Leben für alle und alles.

Es geht auch darum, die Subjekt-Objekt-Beziehung zwischen Mensch und Natur gleich ganz in prozessualen Synergien aufzulösen. Die düstere Folie, von der sich die schöne neue Welt der Permakultur abhebt, ist die gegenwärtige Vorherrschaft der industriellen Landwirtschaft. Auf manche ihrer negativen Effekte wie verdichtete und überdüngte Böden, Vögel- und Insektensterben verspricht Permakultur Antworten auf dem eigenen Fleckchen Land. Der Politik begegnen ein Teil der Szene und auch viele TeilnehmerInnen des IKHS mit grundsätzlichem Misstrauen. Von politischen Reformen in der Landwirtschaft erhoffen sie sich wenig. Viel besser sei es, wenn jedeR bei sich anfange, beim eigenen Leben, im eigenen Garten.

Es ist Mittag in der Sonnenschmiede. Auf die Festbänke kommen Spaghetti an Gemüsesauce, es schmeckt wunderbar fruchtig. Oberhalb des blühenden Gartens erzählt Roman Büeler von seinen Projekten und Ideen. Eine ältere Frau hat ihm und ein paar FreundInnen mitten in Baar im Kanton Zug zwei Aren günstig verpachtet. Anders wäre so ein Projekt dort nicht möglich, bei einem Bodenpreis von rund 2000 Franken pro Quadratmeter. Büelers Gruppe arbeitet an einem Permakulturgarten, der auch eine Begegnungszone für die BaarerInnen werden soll, wie er sagt.

Doch Büelers Ideen enden nicht am Rand der Kleinstadt. Er hat auch eine Vision für eine Alpwirtschaft, in deren Zentrum ein geschickter Umgang mit Wasser stünde. Büeler plädiert für die Kombination von Teichen, Wasserpflanzen und Bäumen, aufgestellt in Terrassenlandschaften, wie man sie von Reisplantagen kennt. Die Idee dahinter: Die Fische liefern den Wasserpflanzen den Dünger, die Pflanzen filtern den Fischen auf der nächsttieferen Ebene das Wasser, und die Bäume beschatten die Teiche. Ein so errichtetes Wasserschloss wäre auch eine Investition im Hinblick auf kommende Trockenperioden. Permakultur sei eben keine dogmatische Lehre, sondern eine Denkweise, ein Baukasten für «kreative Lösungen», die manchmal vielleicht nicht sofort einleuchteten, bei genauem Hinsehen aber total Sinn ergäben. «Wir sind Erdwanderer und Erdwandler, verstehst du?», sagt Büeler, und seine Augen glühen.

Doch nicht nur in Gärten, Hinterhöfen und zwischengenutzten Bauflächen herrscht fiebrige Aufbruchstimmung. Auf der ganzen Welt gibt es immer mehr Projekte, die nach den Prinzipien der Permakultur ertragreich Landwirtschaft betreiben. Während viele kleinere Permakulturgärten nur zur Selbstversorgung taugen, wollen LandwirtInnen auf grösseren Flächen auch für den Markt produzieren.

Mikroklima und Übergangszonen

Um einen Eindruck zu bekommen, nähert man sich der Permakulturlandwirtschaft erst mal von oben. Google und Youtube liefern Luftaufnahmen von Landschaften, die wie anthroposophische Mandalas aussehen. Sie liegen in Argentinien, Schweden oder Frankreich und ziehen sich über Hügel und durch Täler. Videos von Vorzeigeprojekten wie der Ferme du Bec Hellouin in der Normandie (vgl. «Ist Permakultur rentabel?» ) oder des Krameterhofs der Permakulturikone Sepp Holzer in den österreichischen Alpen führen durch üppige Waldkorridore, entlang tiefblauer Naturteiche, über vielfältig grüne Felder, auf denen verschiedene Gemüse und Kräuter nebeneinander wachsen. Was die HD-Kameras filmen, ist ein bisschen wie der Blick Gottes, der zufrieden auf seine Schöpfung schaut.

Gegen zwanzig Bauernbetriebe haben inzwischen auch in der Schweiz ihre Produktion nach den Prinzipien der Permakultur ausgerichtet. Sie wirtschaften auf der Alp im Emmental, in den Hügeln des Jura, aber auch im Flachland, in Oberwil-Lieli und in Mönchaltorf. Hoch über Altstätten auf der Westflanke des St. Galler Rheintals liegt der Hof Morgarot von Manuela und Marcel Schmid. Nach einer kurvigen Fahrt im weissen Transporter der Schmids erreichen wir die Wiesen und Borde, die sie bewirtschaften. Hinter dem Bauernhaus, jenseits der bewaldeten Hügelkuppe, liegt das Appenzellerland, ostwärts reicht der Blick über das Rheintal bis zu den verschneiten Gipfeln der Vorarlberger und Liechtensteiner Alpen. «Es heisst, der Fürst dort drüben mache auch Permakultur», sagt Manuela Schmid und lacht.

Seit drei Jahren bauen die Schmids hier Terrassen in die Hänge, legen Hecken und Kompostdepots an. Sie haben Bäume, Beerensträucher und Tomatenstauden neben- und übereinander gepflanzt, Felder angelegt, Salate, Getreide und verschiedene alte Kartoffelsorten gesetzt. «Konventionelle Gemüse- und Felderwirtschaft ist in diesem Gelände kaum möglich, für die Permakultur ist es hingegen perfekt», sagt Marcel Schmid. Seine Eltern haben hier früher Kühe zum Weiden auf die Hänge gelassen. Die so über die Jahre entstandenen Trampelpfade liessen sich gut zu terrassierten Anbauflächen erweitern. So lässt sich dem Hang mehr Fläche abgewinnen, ausserdem halten sich Wasser und Humus besser auf den geraden Flächen.

Marcel Schmid führt durch die serpentinenartigen Terrassen hangaufwärts, vorbei an Beerensträuchern und Kräuterstauden unter Obstbäumen, Tomaten und einer Hecke aus Gehölz und Brombeerranken. Die Hecke gibt den Pflanzen auf der Wiese Windschutz und hält Wild und Hasen von den unter dem dornigen Gewölbe gepflanzten Bäumchen fern. An einer Stelle ist eine Art Mulde in den Hang eingelassen. Dank der Wölbung halte sich Wärme länger auf der Terrasse, erklärt Schmid, deshalb würden hier auch Tafeltrauben wachsen. Kleinräumige Strukturen und Mikroklimas zu bilden, sei wichtig, in den Übergangszonen dazwischen bilde sich oft eine besondere Artenvielfalt.

Ein Stück die Strasse hinab liegt einer der Äcker des Hofs. Gerade ist das tausend Quadratmeter grosse Feld braun. Nur die blütenförmige Unterteilung der Beete lässt erahnen, wie es hier bald wieder aussehen wird. Derzeit ist Wintergemüse angesät, Spinat, Kohl und Nüsslisalat. Im Sommer sind Rheintaler Ribelmais, Dinkel und verschiedene alte Kartoffelsorten in der Fruchtfolge. Auf der Höhenlinie des Hangs haben die Schmids einen ersten Naturteich wiederbelebt, weitere Wasserspeicher sollen noch dazukommen. Dank des Gefälles und durch Sickergräben verteilt sich das Wasser auf den unterhalb liegenden Flächen. Kurz vor dem etwas abseits an einem Waldrand gelegenen Kartoffelacker bleibt Marcel Schmid stehen. Ein toter Molch liegt am Wegrand – auch ein Nützling, ein Käferfresser, angezogen vom Netz aus Feuchtwiesen und angelegten Wasserelementen.

Mehrere NachbarInnen haben den Schmids bereits ihr Land verkauft oder verpachtet. Siebzehn Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche sind es inzwischen, nächstes Jahr sollen weitere fünf hinzukommen. Auch weil sie hier alternative Methoden für die Landwirtschaft in Berggebieten erprobten, komme in der Nachbarschaft an, was sie hier täten, sagt Marcel Schmid.

Nicht nur für den Garten

Für den Verein Permakultur-Landwirtschaft ist der Hof im Rheintal ein Vorzeigeprojekt. Der Verein bildet eine Art Schnittstelle zwischen Permakulturszene, Landwirtschaft und Politik. Hans Balmer, der Präsident des Vereins, war Leiter des Fachbereichs Landwirtschaft der Stadt Zürich, heute arbeitet er beim Kanton als Gewässerschutzinspektor. Balmer ist überzeugt, dass Permakultur nicht nur zur Selbstversorgung in Gärten, sondern auch zur Nahrungsmittelproduktion im grösseren Rahmen auf Bauernhöfen taugt. Um zu zeigen, weshalb das von der Politik gefördert werden sollte, nimmt er die Bundesverfassung zur Hand. Nicht nur die dort formulierten agrarpolitischen Kriterien wie Nachhaltigkeit und Verzicht auf chemische Dünger und Pestizide erfülle die Permakultur. Auch zur Versorgungssicherheit, zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und zur Pflege der Kulturlandschaft könne sie einen Beitrag leisten.

2017 reichte die grüne Waadtländer Nationalrätin Adèle Thorens Goumaz zwei Interpellationen ein. Die eine fragte nach dem landwirtschaftlichen Potenzial der Permakultur, die andere nach Möglichkeiten zur Beseitigung regulatorischer Hürden für kleine Betriebe, die umstellen wollen. Der Bundesrat antwortet ausweichend. In seiner Stellungnahme vom August 2017 schreibt er: «Durch die geringe Mechanisierbarkeit, hohe Anforderungen an das Verständnis verschiedenster Kulturen und hohe Produktionskosten scheint das Potenzial für eine grossflächige Umsetzung der Permakultur begrenzt.»

Dann, im Herbst 2018, werden Balmer und Beat Rölli, Präsident des Vereins Permakultur Schweiz, von der beratenden Kommission für Landwirtschaft eingeladen, ein Referat zu halten. Anhand von zwei Höfen, einer davon ist der Hof Morgarot, erläutern sie in Bern das Potenzial der Permakultur für die Landwirtschaft. Sie zeigen die administrativen Hürden für kleine Betriebe auf, die nach den Prinzipien der Permakultur produzieren wollen, namentlich bei Direktzahlungen und kantonalen Betriebsanerkennungen. Das Bundesamt für Landwirtschaft sichert Abklärungen zu. Ende Januar dürfen Balmer und Rölli beim Bundesamt für Landwirtschaft im Rahmen der Vernehmlassung zur Agrarpolitik 22+ vorsprechen.

Oberhalb des Rheintals ist inzwischen die Sonne hinter den Bäumen verschwunden. So wie sich die Lage heute präsentiere, würden die Auflagen für die Direktzahlungen dafür sorgen, dass gewisse Beiträge für sie gar nicht infrage kämen, sagt Manuela Schmid. In Hochstammkulturen etwa sei keine Unterbepflanzung erlaubt, und ihre länglichen Obstplantagen fielen bei den geforderten Abmessungen durch. Dass ihr Einkommen dennoch zu fünfzig Prozent aus Direktzahlungen besteht, etwa für tierfreundliche Haltung oder das Anlegen von Hecken, sei auch dem Engagement der lokalen Politik zu verdanken. «Der Kanton ist froh, wenn neue Ansätze für Landwirtschaft im steilen Gelände ausprobiert werden.» Marcel Schmid nickt: «Die wissen auch nicht, was sie den Bauern hier sonst noch raten sollen.»

Die andere Hälfte des Einkommens der Schmids stammt aus dem Direktverkauf, Tendenz steigend. Die Schmids bringen ihre Produkte – Gemüse, Obst, Eier, Wildkräutererzeugnisse und vom befreundeten Metzger hergestellte Würste – auf die Dorfmärkte von Altstätten und Heiden, beliefern Gourmetrestaurants und Biocafés, veranstalten kleine Märkte auf Parkplätzen von Bekannten. Was so zusammenkommt, reicht für die HofbewohnerInnen – Manuela und Marcel Schmid und ihre drei Kinder – und eine zu siebzig Prozent angestellte Mitarbeiterin.

Und die ökologische Rechte?

Im Nährboden zwischen Staatsfeindlichkeit, Archaismus und Aktivismus wurzelt aber auch manche weltanschauliche Sumpfblüte. So finden etwa AnhängerInnen der bei völkischen SiedlerInnen verbreiteten Anastasia-Bewegung in der Permakultur Inspiration für die Bewirtschaftung ihrer «Familienlandsitze». Die Anastasia-Bewegung propagiert eine esoterisch-ökologische Lebensweise, gespickt mit völkischen und antisemitischen Ideen (siehe WOZ Nr. 43/2016 ).

2018 publizierte das «Permakultur Magazin», an dem auch der Verein Permakultur Schweiz beteiligt ist, einen dreiseitigen Artikel mit dem Titel «Permakultur und die ökologische Rechte». Darin wird der historische Zusammenhang von Ökologie und der extremen Rechten nachgezeichnet und ein Einblick in die szeneinternen Diskussionen gewährt, die dazu geführt haben, klar Stellung zu beziehen. Auch Permakultur Schweiz distanziert sich auf seiner Website proaktiv von Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie. Leute mit rechtsextremen Ansichten seien selten, aber auch in der Schweizer Szene anzutreffen, sagt Wendelin Matawa Keller, Koordinator bei Permakultur Schweiz, auf Nachfrage: «Sie missbrauchen die für die Permakultur zentrale Verbindung zwischen Menschen und bebauter Erde und leiten daraus die Einheit von ‹autochthonem› Volk und Boden ab.»

Auch der Verein selbst war schon betroffen. Ein ehemaliges Vorstandsmitglied betreibt heute eine wirre Website, auf der Artikel über Permakultur neben Theorien über die Herrschaft von Satanisten, die gerade zu Ende gehe, Antimigrationspropaganda und Bekenntnissen zur rechtsextremen Identitären Bewegung stehen. Nachdem er an der Generalversammlung 2017 nicht mehr gewählt wurde, zeigten sich einige Mitglieder solidarisch und traten aus dem Verein aus. Auch darum, so Matawa Keller, «weil ihnen klar geworden ist, dass bei uns rechtsextreme Positionen nicht geduldet werden».

Problematische Theorien : Inspirierend bis haarsträubend

Permakultur hat den Anspruch, viel mehr als eine landwirtschaftliche Methode zu sein. Sie soll das ganze Leben umfassen und sich auch auf menschliche Beziehungen anwenden lassen. Dass dieser Anspruch problematisch sein kann, zeigen die Schriften des Australiers David Holmgren, der zusammen mit dem Umweltwissenschaftler Bill Mollison die Permakultur in den siebziger Jahren entwickelt hat. Ein Beispiel dafür ist Holmgrens Buch «Permaculture. Principles and Pathways beyond Sustainability» von 2002, das 2016 auf Deutsch erschien.

Das Buch stellt die von Holmgren entwickelten zwölf Gestaltungsprinzipien der Permakultur vor – mit dem Ziel, «den Weg in eine Niedrigenergiegesellschaft bewusst zu gestalten». Es ist eine Fundgrube von inspirierenden Ideen für die Praxis. Allerdings mit einer Schlagseite, die aus dem allumfassenden Anspruch folgt: Immer wieder zieht Holmgren hanebüchene Parallelen zwischen Ökosystemen, Landwirtschaft und menschlichen Kulturen. So vergleicht er die Raumplanung, die das Land in verschiedene Nutzungszonen aufteilt, auf verharmlosende Weise mit Apartheid: Bei beidem gehe es um «Konfliktvermeidung». Vollends haarsträubend wird es spätestens dort, wo Holmgren über Menschen schreibt, als wären es Zuchttiere: «Ist durch die Durchmischung von zuvor isolierten ethnischen Gruppen (…) der sogenannte Heterosis-Effekt, also eine besonders ausgeprägte Leistungsfähigkeit von Hybriden, eingetreten?» «Haben die Medizin und andere Errungenschaften der Moderne die biologische Fitness des Menschen herabgesetzt, ähnlich wie die Überzüchtung von Haustieren deren Fitness beeinträchtigt?» Da bringt es auch nicht mehr viel, dass sich der Autor in den Sätzen davor von der Eugenik der Nazis distanziert.

Ausserdem gibt Holmgren im Nachwort Verschwörungstheorien zum 11. September 2001 zum Besten: Für die Zerstörung der Twin Towers seien «Schattenkoalitionen» verantwortlich, USA und IslamistInnen steckten unter einer Decke. Solche Details diskreditieren nicht die Permakultur als Ganzes. Aber sie zeigen, dass es wohl doch besser ist, sie vor allem als eines anzuwenden: als landwirtschaftliche Methode.

Bettina Dyttrich

David Holmgren: «Permakultur. Gestaltungsprinzipien für zukunftsfähige Lebensweisen». Aus dem Englischen von Matthias Fersterer. Drachen Verlag. Klein Jasedow 2016. 416 Seiten. 62 Franken.