Bundesratswahlen: Rückkehr zum Irrtum

Nr. 50 –

Acht Jahre nach der Abwahl des Milliardärs Christoph Blocher hat die SVP mit dem Waadtländer Winzer Guy Parmelin ihr ersehntes zweites Mitglied in der Regierung erhalten. Die Wahl ist zwar falsch und feige, aber am Ende wohl ehrlich: Die Mitte hatte nicht den Mut und die Linke nicht die Kraft, der SVP den zweiten Sitz zu verwehren.

Berechtigt wäre eine wilde Kandidatur auf jeden Fall gewesen. Das ultimative Dreierticket der SVP war ein Angebot, das eigentlich niemand annehmen konnte: drei mittelmässige bis unterirdische Kandidaten.

Es war ein Hohn, dass sich SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz ausgerechnet auf die Verfassung berief, als er das Parlament am Mittwoch darum bat, die «Ausgrenzung» seiner Partei zu beenden. Denn zu ihrem zweiten Sitz kam die SVP so, wie sie seit Jahren Politik macht: mit Erpressungen und Drohungen. Dass sie das zurzeit etwas freundlicher tut als auch schon, spielt keine Rolle. Mit der Ausschlussklausel hat die SVP die freie Wahl der Bundesversammlung eingeschränkt und gegen das verfassungsmässig garantierte Instruktionsverbot verstossen: Wäre jemand anderes als die drei Gewünschten gewählt worden, hätte die Partei diese Person ausgeschlossen. Mit diesem Automatismus überschritten die Rechtsnationalen einmal mehr gezielt die Grenze zum Verfassungsbruch.

Dass jede Bewegung der SVP-Parteielite eine grössere Debatte darüber verursacht, ob sie rechtsstaatlich erträglich ist, wäre Grund genug gewesen, die SVP nicht in die Regierung zu wählen.

Entsprechend deutlich äusserten sich am Mittwoch die Fraktionen zur Ausschlussklausel: «Widerspricht dem Geist der Verfassung» (FDP), «wird in Zukunft nicht mehr akzeptiert» (CVP), «Wir verurteilen die Klausel» (BDP), «einer Regierung unwürdig» (GLP), «eine totalitäre Klausel» (SP).

War das mehr als blosse Rhetorik? Die SP kanzelte die Einbindung der SVP als illusorisch ab, und die Grünen stellten als einzige Partei den Regierungsanspruch der SVP grundsätzlich infrage. Am Ende aber wählten beide linken Fraktionen grossmehrheitlich SVP und kürten Guy Parmelin zum Bundesrat.

Parmelin ist das kleinste Übel, ein Quoten-SVPler, der die grosse Sehnsucht der Partei und weiter Teile der Presselandschaft befriedigt: die viel beschworene «Rückkehr zur Normalität» (NZZ).

Wie diese Normalität aussah, die im Dezember 2007 zu Ende ging, beschrieb der damalige FDP-Präsident Fulvio Pelli unmittelbar nach Blochers Abwahl so: «Die SVP war nicht fähig, auf Konsens zu arbeiten, sie ist nach wie vor eine Oppositionspartei, sie will nicht mit den anderen Parteien zusammenarbeiten, sie provoziert und verhöhnt ständig.»

In den vergangenen acht Jahren hat sich die SVP nicht verändert. Dafür aber das Umfeld – in der Schweiz, in Europa, in der Welt: Deutschland zieht in den Krieg, in Frankreich ist der rechtsnationalistische FN die stärkste Partei, 5000 EuropäerInnen reisten letztes Jahr in den Nahen Osten, um für den IS zu kämpfen, Donald Trump fordert in den USA ein Einreiseverbot für MuslimInnen. Das sind die Schlagzeilen der letzten Tage.

Und die SVP will mit ihrer Politik: die Menschenrechtskonvention kündigen, das Asylrecht aufheben, soziale Errungenschaften abschaffen und die ausländische Wohnbevölkerung in der Schweiz systematisch rechtlich diskriminieren.

Diese Bundesratswahlen haben gezeigt: Es ist egal, wie viele Lügen man verbreitet (Blocher), egal, wie viel Unsinn man schreibt («Weltwoche»), egal, wie oft man die Verfassung verhöhnt (SVP) – alles bleibt eine Anekdote ohne Folgen für die Partei.

Wer glaubt, die SVP könne mit einem zweiten Sitz in der Regierung gezähmt werden, lässt sich blenden. Der zweite Sitz für die SVP ist keine Rückkehr zur Normalität, sondern es ist die Rückkehr zum Irrtum. Die SVP bleibt eine extreme Kraft und wird ihre Radikalität in den nächsten vier Jahren nicht ablegen. Sie wird nicht mehr Verantwortung übernehmen. Sie erhält bloss noch mehr Macht.

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