Kinofilm «Nichts passiert»: Bloss nichts anbrennen lassen

Nr. 6 –

Eine Vergewaltigung, jemand landet im Koma, am Ende gibts Tote: Doch, doch, da passiert recht viel in «Nichts passiert», dem neuen Film von Micha Lewinsky («Der Freund»). Der doppelbödige Titel ist allerdings mehr auf den Protagonisten gemünzt, den Familienvater Thomas (Devid Striesow), der nach dieser Maxime sein Leben zu ordnen versucht: Ist ja gar nichts passiert. So verwedelt er jeden Störfall, bloss um sein fragiles Glück nicht zu gefährden – jetzt, wo er dank Therapie wieder alles im Griff zu haben meint.

Aber von wegen! Nach einer unerhörten Begebenheit in den Skiferien will Thomas möglichst alles unterm Deckel halten – und richtet mit jedem Manöver nur noch grösseres Unheil an. So zeichnet «Nichts passiert» das Psychogramm eines Biedermanns, der den Brand, den er um jeden Preis ersticken will, nur befeuert. Devid Striesow spielt das grandios, ein ausgewachsenes Babyface unter dem Stress einer fortschreitenden Überforderung. Und auch wenn der Mann von einem Deutschen gespielt wird: Es ist ein sehr schweizerischer Typ, den sich Drehbuchautor und Regisseur Micha Lewinsky hier ausgedacht hat. Konfliktscheu, bis es wehtut. Eine kühne Figur auch, so befremdlich in ihrer Durchschnittsnettigkeit, wie man das selten sieht in einem Schweizer Film. Und gerade dieser innere Zwang zur Harmonie führt in den Abgrund, wenn auch nicht unbedingt für Thomas selbst.

Das klingt jetzt fast wieder böser, als sich diese Tragikomödie zu sein getraut. Lewinsky treibt seinen Plot in aller Beiläufigkeit bis zur schlimmstmöglichen Wendung, und wo es etwas zu lachen gibt, ist die Komik vergiftet. Das ist unerhört gut geschrieben, bis in die Mikrotechniken des Beziehungslebens («Ich liebe dich», sagt Thomas zu seiner Frau. Sie darauf: «Ja, ich weiss»). Formal bleibt der Film dagegen ganz bei seinem biederen Protagonisten: Bloss nichts anbrennen lassen. Aber womöglich ist das wiederum nur konsequent. Denn die schlimmstmögliche Wendung, das zeigt «Nichts passiert», ist manchmal das Happy End.

Ab 11. Februar 2016 im Kino.

Nichts passiert. Regie und Drehbuch: Micha Lewinsky. Schweiz 2015