Stellenabbau bei Schindler: «Jetzt heisst es: ‹Wir brauchen euch nicht mehr, ihr seid zu teuer›»

Nr. 11 –

Die Schindler Aufzüge AG baut in Ebikon bei Luzern 120 von 200 Stellen in der Produktion ab. Betroffen sind Industriearbeitsplätze bei EBI Works, wo Aufzugskomponenten produziert werden. Ein Abbau ohne Not, sagen die betroffenen ArbeiterInnen.

«Viele von uns haben fast das ganze Arbeitsleben für Schindler hergegeben – jetzt verlangen wir etwas ­zurück»: Die Schindler-Arbeiter Werner Pfister, Peter Gloor und Moritz Blum.

Kein lautes Wort an diesem 8. März, die Stimmung ist gedrückt: In grossen Gruppen laufen die MitarbeiterInnen in ihren schwarz-grauen Arbeitskleidern vom Hauptgebäude ins Personalrestaurant. Es ist die erste Betriebsversammlung nach der Ankündigung der Firma Schindler vom 1. März, in Ebikon 120 Industriearbeitsplätze abzubauen.

Schon nach der Betriebsversammlung hat sich das Klima merklich geändert – es ist kämpferischer geworden: Vor dem Personalrestaurant hängen GewerkschafterInnen an ihren Handys, drei Mitarbeiter stehen der WOZ Rede und Antwort. Peter Gloor, 61 Jahre alt und Logistikmitarbeiter bei EBI Works, bringt die Stimmung auf den Punkt: «Wir sind verärgert. Viele von uns haben fast das ganze Arbeitsleben für Schindler hergegeben – jetzt verlangen wir etwas zurück.»

Eine echte Hiobsbotschaft

Moritz Blum, 29, Produktionsingenieur, Mitglied der Personalkommission und der Gewerkschaft Syna, beschreibt die Stimmung im Betrieb wie folgt: «Alle sind verunsichert. Niemand weiss, ob er frühpensioniert, intern verschoben oder entlassen wird.» Und Werner Pfister, 62, früher bei EBI Works und nun in der Entwicklung tätig, ärgert sich: «Jetzt heisst es: Wir brauchen euch nicht mehr, ihr seid zu teuer, darum vergeben wir die Arbeit an andere Orte.» Er unterstützt seine früheren KollegInnen bei EBI Works als Mitglied der Personalkommission und der Gewerkschaft Unia.

Das Traditionsunternehmen Schindler mit seiner 142-jährigen Geschichte ist immerhin eine der grössten Firmen im Kanton Luzern. Im Stammhaus in Ebikon sind heute 1600 der weltweit 54 000 MitarbeiterInnen beschäftigt. Vor rund zwanzig Jahren gab es in den riesigen Fabrikhallen noch Arbeit für 800 Berufsleute – heute sind es noch 200, die Aufzugskomponenten wie Kabinen und Motoren für die weltweite Nachfrage herstellen.

Schindler begründet den Stellenabbau mit dem starken Marktwachstum in Asien und dabei vor allem in China, wo der Konzern mehrere Fabriken gekauft oder neu aufgebaut hat. Dort spiele die Musik, sagt die Konzernleitung. Immer mehr Aufträge würden im Ausland abgewickelt, wo die Produktionskosten tiefer seien als in der Schweiz. Deshalb könne die Produktion am Standort Ebikon nicht mehr ausgelastet werden.

«Wir haben gespürt, dass etwas in der Luft liegt», sagt Peter Gloor, der auch schon seit über 35 Jahren bei Schindler arbeitet. «2015 sind die Aufträge stetig zurückgegangen. Wir haben also damit gerechnet, dass Stellen abgebaut werden – aber dass es nun 120 sind, ist eine echte Hiobsbotschaft.» Betroffen sind Motorenentwickler, Maschinenbauerinnen, Maschinenführer, Ingenieurinnen und Konstrukteure, aber auch viele Angelernte – überwiegend Männer mit Familien.

Den von Schindler monierten Sachzwang, dass an der Produktionsverlagerung nach Asien kein Weg vorbeiführe, stellen die Gewerkschafter infrage. Sie verweisen darauf, dass in den letzten Jahren nicht nur Werke in China, sondern auch in Europa entstanden sind. Vor ein paar Jahren wurde in der Slowakei ein Werk für den Kabinenbau gegründet, und 2015 verlagerte Schindler die Produktion von kleineren Liftmotoren nach Spanien. «Diese Produktion hätten wir in Ebikon halten können», ist Werner Pfister überzeugt. «Das Management hätte dem Standort Ebikon eine Grundauslastung mit einer Massenproduktion zuteilen können. Dazu hätte man in moderne Produktionstechnologien investieren können, die die Preisdifferenz bei den Löhnen wieder aufgewogen hätten. So wären wir gegenüber der Slowakei und Spanien konkurrenzfähig geblieben.»

Und jetzt soll EBI Works zu einem «globalen Kompetenzzentrum für Spezialanfertigungen werden», schreibt Schindler in einer Medienmitteilung. Dazu gehören beispielsweise Panorama-Aufzüge aus Glas. «Die Entwicklung ist fatal«, sagt Giuseppe Reo, Regionalsekretär der Unia Luzern, der mit andern zusammen die Betriebsversammlung leitete. «Das ist ein Schritt mehr in Richtung Deindustrialisierung der Schweiz. Wo sollen nun die Jungen, die neu ins Arbeitsleben kommen, eine Stelle finden?» In der Region seien bereits Tausende Arbeitsplätze vernichtet worden. «Darum macht uns so wütend, was hier passiert.» Schindler will zu diesen Vorwürfen nicht Stellung nehmen. Die Firma schreibt der WOZ: «Da das Konsultationsverfahren noch bis Ende März läuft, können wir uns zurzeit nicht äussern.»

Koste es, was es wolle

Zwar hat das Unternehmen in anderen Bereichen neue Stellen geschaffen – doch das nützt den Facharbeitern bei EBI Works nichts, wenn zugleich die Produktion massiv ausgedünnt wird. Dabei ist Schindler kerngesund. Die Firma hat die Wirtschaftsflaute in China bisher gut gemeistert, und sie rechnet mit einem weiteren Wachstum.

Auch die Familien Schindler und Bonnard, die seit Jahrzehnten als Mehrheitsaktionäre den Konzern steuern, darben nicht: Laut «Blick» werden sie dieses Frühjahr 129 Millionen Franken Dividenden kassieren. Alfred N. Schindler, jahrzehntelang das Aushängeschild des Konzerns und noch bis 2017 Verwaltungsratspräsident, ist Multimilliardär mit Wohnsitz im steuergünstigen Hergiswil NW, wo auch der Sitz der Schindler Holding ist. Kürzlich hat Schindler zudem einen Konzerngewinn von 747 Millionen Franken kommuniziert.

«Unter diesen Vorzeichen haben wir null Verständnis für den Stellenabbau», sagt Reo. Und der langjährige Angestellte Werner Pfister doppelt nach: «Es geht um Profitsteigerung, koste es, was es wolle.»

Besonders enttäuscht sind die Schindler-MitarbeiterInnen über die Reaktionen der Behörden beim Kanton und in der Gemeinde Ebikon. «Ich erwarte, dass sie ans soziale Gewissen von Schindler appellieren, damit niemand arbeitslos wird und damit es einen guten Sozialplan gibt», sagt Gewerkschaftsmitglied Moritz Blum. Daniel Gasser, Gemeindepräsident von Ebikon (CVP), meint dazu: «Wir haben ein sehr gutes Verhältnis und einen regen Austausch mit dem Betrieb. Wir haben Verständnis für die Betroffenen, aber wir verstehen auch Schindler.» Die Möglichkeiten der Gemeinde seien beschränkt. «Es ist nicht unsere Aufgabe, uns in die strategischen Entscheidungen einzumischen.»

Ähnlich reagiert der Luzerner Regierungsrat Robert Küng (FDP): «Der Staat sorgt für gute Rahmenbedingungen, die Wirtschaft stellt die Arbeitsplätze zur Verfügung.» Die Regierung habe öffentlich kommuniziert, dass sie sozialverträgliche Lösungen möglichst ohne Entlassungen erwarte. «Weitergehend ist es nicht die Aufgabe der Regierung, bei unternehmerischen Entscheiden mitzureden.»

«Ein Hohn», sagt Werner Pfister. «Luzern hat die tiefsten Unternehmenssteuern, damit neue Firmen hierherziehen oder bestehende nicht abwandern. Wenn schon die Rahmenbedingungen zum Abkassieren stimmen, dann erwarte ich auch, dass die Regierung Gegenleistungen verlangt.»

«Nicht kampflos aufgeben»

Die GewerkschafterInnen wollen jetzt den Schwung aus der Betriebsversammlung in die Verhandlungen mit dem Schindler-Management mitnehmen. «Die Mitarbeiter werden die gestellten Forderungen nicht kampflos aufgeben», sagt Unia-Regionalsekretär Giuseppe Reo. «Sie werden alle zur Verfügung stehenden Mittel für die Rettung der Arbeitsplätze einsetzen.»

Zusammen mit den Gewerkschaften – die Unia ist von der Betriebsversammlung mit der Verhandlungsführung beauftragt worden – verlangen die MitarbeiterInnen von Schindler vierzig Millionen Franken, um Kündigungen zu verhindern, Frühpensionierungen zu finanzieren und die Beschäftigung von jüngeren Angestellten zu sichern. Und darüber hinaus einen Verzicht auf Dividendenausschüttungen im laufenden Jahr sowie eine Arbeitsplatzgarantie für alle, die bei EBI Works bleiben.

Nach Abschluss des Konsultationsverfahrens kann Schindler ab April Kündigungen verschicken.