Die Hildebrand-Affäre und die Folgen: Heisser Draht zwischen Blocher und Köppel

Nr. 13 –

Justizunterlagen zur Affäre Hildebrand zeigen: Christoph Blocher und Roger Köppel standen über Wochen täglich miteinander in Kontakt. Wie nahe stehen sich der Chefredaktor und der Chefstratege wirklich?

Auf Mittwoch waren zwei Schlüsselfiguren der Hildebrand-Affäre vor Gericht geladen: der frühere Bankmitarbeiter Reto T. und der SVP-Kantonsrat und Rechtsanwalt Hermann Lei. Sie mussten sich in Zürich für eine mutmassliche Bankgeheimnisverletzung beziehungsweise die Verleitung dazu verantworten (siehe WOZ Nr. 12/2016 ). Reto T. konnte nicht erscheinen, er war krankgeschrieben. Eine dritte Person, die bei der Absetzung des damaligen Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand eine tragende Rolle gespielt hatte, erhielt vom Bezirksgericht Zürich keine Vorladung: Christoph Blocher.

Der SVP-Stratege hat seine Rolle in der Affäre Hildebrand stets kleingeredet. Er sei in jenen turbulenten Tagen um die Jahreswende 2011/12 lediglich «Briefträger» gewesen. Aus strafrechtlicher Sicht mag diese Darstellung zutreffen: Nach vier Jahren Ermittlungen stellte die Staatsanwaltschaft Ende 2015 das Verfahren gegen ihn ein. Aus politischer Warte jedoch ist Blochers Interpretation seiner Rolle eine massive Untertreibung. Justizunterlagen zeigen, dass er ein zentraler Akteur war und in jenen Tagen einen viel regeren Austausch mit der «Weltwoche» pflegte, als bisher bekannt war.

Ein «Pas de deux»

Spätestens seit der ehemalige Journalist Roger Köppel für die SVP in den Nationalrat gezogen ist, müsste der «Weltwoche» eigentlich jede journalistische Glaubwürdigkeit abhandengekommen sein. Doch das Blatt zehrt noch vom Ruf einer zwar bisweilen skrupellosen, aber unerschrockenen Recherchezeitschrift. Das geht nicht zuletzt auf den Winter 2011/12 zurück, als die «Weltwoche» gleich zweimal innert kürzester Zeit Erdbeben in Bundesbern auslöste: Anfang Dezember 2011 beschuldigte sie den SVP-Bundesratskandidaten Bruno Zuppiger der Veruntreuung; und Anfang Januar 2012 publizierte sie Kontoauszüge des Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand. In beiden Fällen mussten die Angegriffenen zurücktreten.

Immer wieder mutmassen politische Beobachter und Journalistinnen über die Verbindungen zwischen «Weltwoche» und Blocher. Die «Zeit» schrieb Anfang 2012, die Schweiz habe im Fall Hildebrand «einen Pas de deux zwischen einem Politiker und einer Zeitschrift» erlebt, «wie ihn die Pressegeschichte noch selten gesehen hat». Roger Köppel bestritt das: Die Fälle Zuppiger und Hildebrand zeigten im Gegenteil, «wie wichtig eine wirklich kritische und unabhängige Presse» sei. Und zur NZZ sagte Köppel im Frühling 2015, weder Parteipräsident Toni Brunner noch Christoph Blocher hätten Weisungsbefugnis.

So lautet also die offizielle Darstellung: Christoph Blocher, ein kleiner Briefträger; Roger Köppel, ein unabhängiger Chefredaktor.

Justizunterlagen, die der WOZ vorliegen (und die auch der «Tages-Anzeiger» am Mittwoch publizierte), zeichnen ein anderes Bild. Gemäss einem Auszug der Telefonverbindungen tauschten sich Köppel und Blocher im Winter 2011/12 fast täglich aus. Während der rund siebzig Tage von Anfang November 2011 bis Anfang Januar 2012 sind 243 Kontaktaufnahmen registriert – 143 Telefongespräche und 100 Textnachrichten. Durchschnittlich telefonierten Köppel und Blocher also zweimal täglich und schrieben fast ebenso viele SMS. Manchmal sprachen sich die beiden für ein paar Tage nicht. Über Weihnachten herrschte gar über eine Woche Funkstille – abgesehen von einem kurzen SMS-Wechsel am Weihnachtstag und am Silvesterabend.

Auffällig ist vor allem, wann sich die Gespräche häuften. Am Montag etwa, bevor die «Weltwoche» Bruno Zuppiger zu Fall brachte: sechs Telefonate, ein SMS. Am Tag der Bundesratswahl: acht Telefonate und vier SMS. Am Tag vor der Publikation der Hildebrand-Auszüge: zehn Telefonate, vier SMS.

In den Tagen vor und nach Hildebrands Rücktritt am 9. Januar 2012 wirken die aufgelisteten Telefonverbindungen wie eine Standleitung nach Herrliberg: Der Chefredaktor der «Weltwoche» und der Chefstratege der SVP führten in diesen Tagen über fünfzig Telefongespräche.

Gemäss der Auflistung lief die Kommunikation keineswegs nur in eine Richtung: Köppel und Blocher riefen sich als gleichwertige Partner ungefähr gleich häufig an. Die meisten Gespräche waren relativ kurz, nur vereinzelt sprachen die beiden länger als eine halbe Stunde, so etwa am Sonntagmorgen, dem 8. Januar, einen Tag bevor Philipp Hildebrand zurücktrat.

Zeitintensive Quellenpflege

Was sagen die vielen Telefonate über das Verhältnis von Blocher und Köppel aus? Wie nah stehen sich die beiden wirklich? Ist es üblich, dass ein Chefredaktor und ein Politiker nicht nur tagsüber, sondern auch frühmorgens an Wochenenden, spätnachts und an Feiertagen miteinander telefonieren? Worum ging es in all diesen Gesprächen und Textnachrichten? Waren es professionelle Kontakte? Ein Austausch zwischen Journalist und Quelle? Oder Absprachen unter Politikern?

Roger Köppel wollte nicht im Detail zu den Telefonverbindungen und seinem Verhältnis zu Blocher Stellung nehmen: «Ich rede nie über Quellen», schrieb er der WOZ. Aber natürlich recherchiere man bei der «Weltwoche» Tag und Nacht. Die zeitintensive Betreuung dieser einen «Quelle» lässt jedenfalls darauf schliessen, dass Köppel nicht allzu viele andere pflegen kann.