Kamran Mohammadi: «Meine Instrumente sind meine Waffe»

Nr. 15 –

Er studierte im Iran und arbeitete als Ingenieur – doch dann musste der kurdische Sozialist aus dem Land fliehen. In der Schweiz unterrichtet er nun orientalische Musik – und wartet auf den Entscheid über sein Asylgesuch.

Zum Schluss des Unterrichts wird getanzt: Kamran Mohammadi will den Menschen die kurdische Musik nahebringen.

Eigentlich heisst Kamran Mohammadi Khabat Mohammadi. Aber die iranische Regierung verbot seinen Eltern, ihren Sohn Khabat zu nennen. Denn Khabat ist ein kurdischer Name und bedeutet Kämpfer. Nicht unbedingt bewaffneter Kämpfer, sagt Mohammadi. «Einfach jemand, der Unterdrückung nicht akzeptieren kann.»

Einen solchen Namen sahen die iranischen Behörden nicht gerne und entschieden, dass Mohammadi mit Vornamen Kamran heissen soll. Seine Mutter sei ausser sich geraten, erinnert sich Mohammadi – sie wollte sich so etwas nicht gefallen lassen. Schliesslich willigte der Vater beschwichtigend ein.

Ein Kämpfer wurde Kamran Mohammadi trotzdem. Ein gewaltloser, aber nicht unbewaffnet: «Meine Instrumente sind meine Waffe», sagt der heute 31-jährige Musiker und Sänger. Mohammadi spielt Oud und Saz – das Musizieren auf den zwei Lauten hat er vor achtzehn Jahren von seinem grossen Bruder gelernt.

Gereistes Wissen

Heute unterrichtet Mohammadi selbst orientalische Musik – in der «Klubschule Import», einem Projekt des Fabriktheaters der Roten Fabrik in Zürich. In der zweiwöchigen Abendschule soll «gereistes Wissen» vermittelt werden. Das Konzept ist an jenes der Migros-Klubschule angelehnt. An sechs Abenden finden in diesem Monat zwölf Lektionen in den unterschiedlichsten Fächern statt – es unterrichten ausschliesslich Geflüchtete.

«Das Projekt greift mit künstlerischen Mitteln in einen politischen Diskurs ein», sagt der Künstler Andreas Liebmann, der die «Klubschule Import» organisiert. «In der Regel heisst es, die Eingereisten müssen sich hier integrieren. An dieser Vorstellung, die nur Anforderungen an die Angekommenen stellt, muss man rütteln.» Das Wissen, das unterrichtet wird, könne normaler Schulstoff sein: Hocharabisch, Kolonialgeschichte, Kochen, Klimaerwärmung, Agronomie, Tanz, Politik – und eben Musik.

Mohammadi möchte den Leuten die orientalische Musik näherbringen, auch praktisch: «Zum Schluss des Unterrichts wird getanzt», verrät er. Die kurdische Musik sei vielfältig, es gebe Lieder zum Feiern, zum Trauern oder auch für politische Kämpfe. Mohammadis eigene Lieder handeln von Rassismus, von Diskriminierung, aber auch von Freiheit. «Für die Situation in Rojava braucht es Musik, die Mut macht», sagt er. «Ich wünsche mir, dass die Menschen im Iran, in Syrien und in der Türkei endlich selbst entscheiden können, wie sie ihr Leben leben wollen.»

Mohammadi kommt aus der Stadt Kermanschah. Sie liegt in Ostkurdistan oder – offiziell – im Westen des Iran, nahe der irakischen Grenze. Mit 850 000 EinwohnerInnen gilt sie als die grösste kurdische Stadt. «Im Iran sind wir mit der Diktatur aufgewachsen, aber auch mit dem Kampf dagegen», sagt Mohammadi. Für die zwei kurzen Jahre, die er nun in der Schweiz lebt, spricht er sehr gut Deutsch.

Als das jüngste von fünf Kindern sei er schon Onkel gewesen, bevor er überhaupt geboren war, erzählt Mohammadi lachend. Es ist einer der kurzen Momente, in denen er unbeschwert erzählt. Dann wird der feingliedrige, akkurat gekleidete Mann wieder nachdenklich. Manchmal bricht er mitten im Satz ab und wird für einen Moment ganz still. Viele Erinnerungen sind schmerzhaft – «das Herz ist voller Trauer», wie Mohammadi es nennt.

Wie lebte er in den Jahren vor der Flucht? Es sei ein gutes Leben gewesen, meint der Musiker. Es sei ihm schwergefallen, alles aufzugeben. Er hatte im Iran studiert, arbeitete als Ingenieur. Und er war verlobt. Doch als Mitglied der sozialistisch-kurdischen Partei Komala wurde er politisch verfolgt. Schon seine Eltern seien von der Polizei unter Druck gesetzt worden, erzählt er.

Seine Flucht in die Schweiz dauerte rund drei Monate. Vom Irak in die Türkei, von wo aus er nach Griechenland zu gelangen versuchte. Von dort wird Mohammadi sieben Mal in die Türkei zurückgeschafft, erst beim achten Mal gelingt ihm die Weiterreise. Seit 2014 lebt der Sozialist in der Schweiz.

Weitermachen – trotz allem

Am 19. und 21. April unterrichtet Kamran Mohammadi an der «Klubschule Import», einen Tag später wird in Bern über sein Asylgesuch entschieden. Das verursacht ihm Kopfschmerzen – für den 29. April ist bereits wieder ein Konzert mit seiner Band im Zürcher Maxim-Theater geplant.

Mehrere Jahre lang konnte der politische Liedermacher nicht spielen. Dann bekam er von einem Angestellten im Asylzentrum eine Oudlaute geschenkt. Seitdem macht er wieder Musik, aber so wie früher sei es nicht mehr. Als Mohammadi in die Schweiz kam, hatte er nur einen Wunsch: noch einmal seine Mutter zu sehen. «Aber das geht nicht mehr», sagt er. «Jetzt mache ich zwar weiter wie immer. Ich spiele Musik, weil ich das immer gemacht habe. Aber der Enthusiasmus ist vergangen.»

Und so kämpft Kamran Mohammadi auch politisch weiter: weil er Unterdrückung nicht akzeptieren kann. Daran konnten weder der andere Vorname noch die Verfolgung etwas ändern.

«Klubschule Import»: noch bis Donnerstag, 21. April 2016, jeweils ab 20 Uhr in der Roten Fabrik in Zürich. Kursprogramm: www.rotefabrik.ch.