Pop: Lass uns Liebe sein

Nr. 24 –

Die Liebe liegt auf dem Dancefloor. Wieder einmal. Aber ranschmeisserisch oder cheap ist das nicht, wenn Jessy Lanza einen Shangaan-Electro-Beat vom südafrikanischen Priester Foster Manganyi ausleiht, diesen mit kickenden Snares und zwirbelnden Hi-Hats verschärft und beschleunigt und singt: «Wenn du mich wirklich willst, komm und finde meine Liebe.» Ansonsten: «Geh weg.» So geht das im Track «It Means I Love You», der bereits im Titel eine Distanz zum imaginären Lover markiert – und im nervösen Tanz doch kurzzeitig die Coolness vergisst.

So funktioniert das auch mit anderen Songs von Jessy Lanzas zweitem Album, «Oh No». Songs, die grossgeschriebene Popmusik sind – und gleichzeitig mit den Konventionen des Pop spielen. Hat Lanza, die in Hamilton, Ontario, also im Niemandsland zwischen Toronto und New York wohnhaft ist (gleich wie der befreundete Caribou und ihr musikalischer Partner Jeremy Greenspan vom Electropopduo Junior Boys), nun wirklich mit «Just say you love me» eines der billigeren Liebesultimaten gestellt? Ja, klar, gleich wie sie ihre Loverschaft immer wieder «Baby» nennt. Dazu pluckern und frieren die Synthies und Drummachines wie damals in den Achtzigern. Das kann mitunter deprimieren, vor allem aber auch trösten, zumal in jenen Songs, die nicht im Club anzusiedeln sind.

Was an «Oh No», wie bereits an ihrem Debüt «Pull My Hair Back» (2013), so kurios ist: Zu keiner Zeit kommen retromanische und zu Tode zitierte Gefühle aus der Mottenkiste auf, vielmehr ist da eine Zeitgenossenschaft zu Freunden wie der Teklife-Crew aus Chicago wie auch zu den Millionenstars aus der Rihanna-Liga (Lanza verehrt Rihannas «Work») zu hören. Nur dass die Songs dieser Popautorin weit privater sind als die Hits aus den Liedfabriken jener Welt. Und wer bei «Oh No» nun von Dekonstruktion des R ’n’ B spricht, hat nicht ganz unrecht – auch weil das Album auf dem britischen Schrittmacherlabel Hyperdub erscheint. Aber das verfehlt den Punkt: Für einmal ist die Poptheorie dann eben doch langweiliger als dieses so hinreissende Album.

Jessy Lanza: Oh No. Hyperdub