Kommentar: Herzlichen Glückwunsch, Máximo Líder!
Vor über fünfzig Jahren hatte Fidel Castro US-amerikanische Konzerne und Privatleute enteignet, die nach dem Sieg seiner Guerillatruppe die Revolution in Kuba sabotieren wollten oder die Insel Hals über Kopf verlassen hatten. Am Samstag wird der pensionierte Revolutionär neunzig Jahre alt, und er wird die Verstaatlichungen kaum bereuen. Sein ihm an der Macht nachfolgender Bruder Raúl und US-Präsident Barack Obama schlagen sich jetzt mit den Folgen herum: Die USA wollen von Kuba gut zehn Milliarden Dollar Entschädigung.
Acht Milliarden davon gehen auf Forderungen aufgrund von Enteignungen zurück, die vom US-Justizministerium als berechtigt anerkannt wurden. Konzerne wie Exxon, Texaco und Coca-Cola wollen Geld, aber auch die Erben des Mafiabosses Meyer Lansky. Der hatte in seinem 352-Zimmer-Hotel Riviera in Havanna einen Teil seiner schmutzigen Dollars gewaschen und mitgeholfen, die Stadt in ein Bordell und Spielcasino für reiche US-Bürger zu verwandeln. Weitere gut zwei Milliarden Dollar will Washington haben, weil US-Gerichte die kubanische Regierung zu entsprechenden Zahlungen verurteilt hatten; etwa nach dem Abschuss zweier Sportflugzeuge, die im Februar 1996 in den kubanischen Luftraum eingedrungen waren, um rechte Propagandaflugblätter über Havanna zu streuen.
Kuba kontert mit einer Forderung von knapp über 300 Milliarden Dollar. Die ergeben sich aus den menschlichen und materiellen Schäden der Schweinebuchtinvasion vom April 1961, verdeckten Sabotageakten des US-Geheimdiensts CIA und den Folgen der noch immer geltenden Wirtschaftsblockade.
Zweimal schon haben sich Delegationen zu Verhandlungen über die Forderungen getroffen, zuletzt Ende Juli in Washington. Die Gespräche, so heisst es, seien «substanziell». Es gibt aber nicht einmal einen Termin für ein drittes Treffen.
Die US-Regierung drückt aufs Tempo. Sie will die Wirtschaftsblockade aus ökonomischen Interessen beenden. Doch der Kongress will zuerst ein Abkommen über die Entschädigungen sehen. US-amerikanische InvestorInnen auf Kuba haben so lange einen Wettbewerbsnachteil: Jede Aktivität auf der sozialistischen Insel erfordert in den USA ein zeitaufwendiges Genehmigungsverfahren mit unsicherem Ausgang. Da sind Europäer, Lateinamerikanerinnen und Chinesen viel schneller.
Die kubanische Delegation dagegen hat Zeit. Sie lässt sich von der Supermacht vor der Haustür nicht unter Druck setzen. Dieses für die USA ungewohnte Selbstbewusstsein eines kleinen Landes ist Teil des Vermächtnisses von Fidel Castro. Herzlichen Glückwunsch!