Von oben herab: Isch cool, Man
Stefan Gärtner über Standortmarketing in Rio
Auch nicht schlecht am insgesamt sehr guten Film «Toni Erdmann» ist, dass man erfährt, wie trüb und blöd die Welt der Unternehmensberatung ist, in der sich die weibliche Hauptrolle bewegt. Wie denn ihre «Performance» so sei, will eine Assistentin wissen; was der aktuelle «Business Case» mache, der Vorgesetzte; und abends sagt ein Botschafter irgendwas über Wirtschaftsbeziehungen, und die Beraterin, die bloss die letzten Sätze mitbekommen hat, muss einen Kunden in ein Gespräch zwingen: Was für eine spannende Rede das gewesen sei! Nichts, was ich je über «spannend», die dümmste (und in ihrem immerwährend falschen Optimismus tödlichste) aller Allzweckphrasen, geschrieben habe, ist auch nur halb so beweiskräftig wie diese Szene; und wo immer sonst noch im Filmfirmenrahmen Kommunikation stattfindet, ist sie eine entkernte, nur mehr aus Schlüsselreizwörtern bestehende, aus Reflexen und Reflexauslösern. (Das zeitgenössisch virulente «Alles gut» gehört dazu, denn Sprache als Parole ist eine, die keinen Gedanken, noch gar einen kritischen, mehr zulässt. So soll es sein.)
Dass sich der Direktor von Präsenz Schweiz, Nicolas Bideau, im Youtube-Filmchen der deutschen «Bild», in dem es um das «House of Switzerland» (z. Z. Rio de Janeiro) geht, nicht ganz so unmenschlich anhört, ist dem Umstand geschuldet, dass er mit französischem Einschlag spricht: «Wir machen eine Kampagne, um mehr Visibilität zu kriegen für die Schweiz», und mehr Visibilität zahlt sich aus als «mehr Business für uns, für unsere Unternehmen. Deshalb sind wir hier, mit einer sehr grossen Industrie von uns, Tourismus, und wir haben wirklich unseren Schnee hier mitgebracht, in die Mitte von Rio.» Welche Werte die Schweiz denn darzustellen beabsichtige, fragt die Springer-Schnatze. «Sympathisch, cool, offen, das ist sehr wichtig für uns. Also, wir haben manchmal die gleichen Probleme wie die Deutschen, wir werden als zu ernst wahrgenommen. Nein, wir sind nicht ernst, wir sind cool», denn cool ist das Label, ohne das es nun wirklich nicht geht. Was nicht cool ist, sellt nicht, weshalb cool zu sein so wichtig ist wie kreativ zu sein; drum: «Botschaft Nummer eins: Die Schweiz ist offen, kreativ. Botschaft Nummer zwei: existiert durch unsere Unternehmen», die natürlich auch irgendwie cool sind oder sein wollen, cool und superkreativ. «Cool zu sein ist die Botschaft Nummer eins.»
In der Pubertät ist das bekanntlich ähnlich; wie unsere Welt überhaupt immer kindischer wird. Und da Kinder zwischen Wahrheit und Fantasie auch nicht immer recht unterscheiden können, kann die Schweiz, wo nicht nur fleissig geschafft, sondern auch emsig ausgeschafft wird, sich als durchaus offen verkaufen, und seis auch bloss für den allgemeinen Reklamegeist, mittels dessen «die Schaffung einer positiven Marke, die auch für Investoren attraktiv ist» («Tages-Anzeiger»), gelingen soll. «Das Team Bideau» – Sportifizierung, der «Tagi» ist dabei – «soll nicht auf angestaubte Heimatgefühle à la Heidi und Kuckucksuhren setzen, sondern auf junge Innovationskraft», guet, «sogenannte ‹Swiss Stories› die im House of Switzerland und auf dessen Website dutzendfach erzählt», nee: «vermarktet werden» (ebd.). Auf dass sie in die Hirne einer Kundschaft fahren, die sich über die Schweiz, wo sie mehr (resp. weniger) ist als Story und positive Marke, keine Gedanken machen soll.
Es wär dies nämmli uncool.
Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.