Von oben herab: Mit Rechten lachen

Nr. 11 –

Stefan Gärtner über ein humorvolles Zwiegespräch

Der «Nebelspalter» wird jetzt von Markus Somm verlegt, der bei der «Basler Zeitung» unter Blocher Chefredaktor war. In der «Republik» hat ihn Constantin Seibt interviewt, so überaus locker, menschlich und über den journalistisch-kollegialen Gartenzaun hinweg («Was fasziniert dich am neuen Job?», «Wo hast du dich verändert als Unternehmer?»), dass sich die Frage, ob man mit Rechten reden solle, dürfe oder gar müsse, ein für alle Mal erledigt hat.

Immerhin einmal wirds brisant: «Bei allem Verständnis für die Prioritäten – die Entwicklung von bürgerlichem Humor fände ich das Reizvollste. Rechte Komik wäre eine echte Weltneuheit.» Und Somm antwortet: «Ob links oder rechts, ist mir bei Komik erst mal egal. Zuerst muss es einmal lustig sein.» Ob «rechte Komik» aber so eine Weltneuheit ist, hängt davon ab, wie man «Komik» definiert. Definiert mans positiv-tautologisch: Komisch ist, wenn jemand lacht, dann ist auch Dieter Nuhr komisch, der Judenwitz oder, wo wir dabei sind, Lisa Eckhart. Dass Somm vorgibt, ihm sei die Richtung wurscht, ist schlau, insinuiert es doch den «neutralen» Witz, der bloss lustig ist und sonst nichts, eine ästhetische, keine politische Angelegenheit.

Das gibt es nicht, schon weil alles eine politische Angelegenheit ist (und unpolitische Satire ein Widerspruch in sich). Der Witz, noch der simple, ist ja Anarchie: «Geht ein Mann zum Bäcker: ‹Ich hätte gern 99 Brötchen.› Sagt die Verkäuferin: ‹Warum nehmen Sie nicht gleich 100?› Sagt der Mann: ‹Wer soll die alle essen?›» Dass diesen Witz schon Kinder verstehen und über ihn lachen, heisst nicht, dass er kindisch ist: Er ist im Gegenteil sinnvoll sinnlos, er stärkt die Ratio, indem er sie unterläuft, er ist der paradoxe Kurzschluss, der es hell werden lässt.

Das dreht das Argument um: Witz ist das, was anarchisch ist. Ist ein Witz ohne Anarchie denkbar? So blondinen- oder frauenfeindlich (und also: konform) ein Blondinenwitz sein mag, so wenig kommt er ohne die Volte, den Gedankensprung, die Transgression aus: «Warum essen Blondinen keine Bananen? Sie finden den Reissverschluss nicht.» Ist daran etwas diskriminierend, dann nicht die Struktur des Witzes, sondern die Wahl des Subjekts: Wenn Trump so dumm ist, dass er bei einer Banane den Reissverschluss sucht, wird aus dem Herren- ein linker Witz.

Hauptsache lustig? Ein Witz von Dieter Nuhr geht so: «Was macht Greta Thunberg eigentlich im Winter? Heizen geht ja wohl nicht!» Das ist sicher ein «rechter», ein ressentimentaler Witz, was aber allein am Vortragenden und seinem Publikum liegt. Der nämliche Witz, von mir nicht mit höhnischem «!», sondern melancholischen «…» erzählt, wäre keiner ad personam, sondern richtete sich gegen die Aussichtsarmut des Versuchs, die Zivilisation bei laufendem Betrieb zu reformieren, und genau das hat vor bestimmt zwanzig Jahren schon ein Klimafachmann in den mindestens skeptischen, wo nicht schon resignativen Satz gepackt: Es werde schwierig mit dem Energiesparen, aufs Heizen sei ja kein Verzichten.

Seibt teilt den alten romantischen Gedanken, dass Schönheit und Wahrheit identisch seien: «Beauty is truth, truth beauty» (John Keats), wie der «Titanic»-Redaktor in mir stets darauf beharrte, der Witz sei die Wahrheit und also links; oder umgekehrt. Damit meinte ich aber natürlich den guten Witz, den brillanten, den Witz auf «Titanic»-Niveau. Was zugleich bedeutet: den Witz, über dem «Titanic» steht und von dem man also weiss, dass er linke Satire ist, weil rechte Satire nuhr (haha!) das Ressentiment bedient und den Willen ausdrückt, die Anarchie des Witzes fürs Gegenteil einzuspannen. Dass Seibt, wie gedankenlos immer, «rechte Komik» und «bürgerlichen Humor» synonym setzt, spricht es aus: Sie möchten lachen über das, was nicht ist. Dass wir nicht mitlachen, bedeutet nicht, dass mans nicht könnte.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.