Burkinidebatte in Frankreich: Kulturkampf am Badestrand
Auch nach dem jüngsten Gerichtsurteil diskutiert Frankreich weiter über ein Burkiniverbot. Davon profitieren dürfte vor allem die extreme Rechte.
Es ist nicht allzu häufig der Fall, dass eine innerfranzösische Kontroverse im fernen Hollywood Reaktionen provoziert. Doch als kürzlich die Bilder der Polizisten, die am Strand von Nizza eine allzu züchtig gekleidete Muslimin konfrontierten, um die Welt gingen, meldete sich Susan Sarandon zu Wort: «Französische Polizisten setzen das Burkiniverbot durch, indem sie eine Mutter zwingen, ihre muslimische Kleidung auszuziehen», empörte sich die Oscar-Preisträgerin auf Twitter. Ähnlich äusserte sich auch ihre Kollegin Sarah Silverman: «Verdammt abscheulich, Frankreich. Wen und was schützt ihr eigentlich genau?»
Zwar ist der Fall, der für die beiden US-Stars zum Stein des Anstosses wurde, nicht ganz so eindeutig – die Muslimin trug eine Bluse, lange Hosen und ein Kopftuch, aber keinen Burkini; ausserdem bestreiten die Behörden, dass die Frau dazu gezwungen wurde, sich auszuziehen. Dennoch zeigt die Episode, wie hoch die Wellen der Erregung in der französischen Debatte um den Burkini inzwischen schlagen.
Begonnen hatte alles Anfang August, als öffentlich wurde, dass eine muslimische Frauenorganisation einen Ausflug in einen Aquapark in der südfranzösischen Stadt Pennes-Mirabeau plante. Die Organisation hatte den Park für eine Privatveranstaltung reserviert, die Frauen und Kindern vorbehalten sein sollte. In der Einladung zu der Veranstaltung wurden die Teilnehmerinnen dazu angehalten, keine Bikinis zu tragen, da auch Männer unter den Angestellten des Wasserparks seien.
Rasch begannen PolitikerInnen des Front National, die Chose zu skandalisieren – als vermeintlichen Beleg dafür, dass die Scharia auf dem Vormarsch sei. Auch die UMP-Abgeordnete Valérie Boyer deklamierte, dass derlei nicht zu tolerieren sei. Die Veranstaltung wurde schliesslich abgesagt. Die Auseinandersetzung jedoch nahm erst richtig Fahrt auf. Aus einer Provinzposse wurde eine nationale Debatte um die «französische Identität».
Hardliner Sarkozy
Zunächst verbot kurz darauf die Stadt Cannes das Tragen von Burkinis am Strand, und zwar mit der einigermassen wahnwitzigen Begründung, dass das Kleidungsstück «auf eine Zugehörigkeit zu terroristischen Bewegungen» hindeute; dabei soll der Burkini ja eigentlich eher einen Kompromiss zwischen konservativer Sittenstrenge und westlicher Freizügigkeit darstellen. Dennoch folgten rund dreissig weitere Gemeinden dem Beispiel Cannes’, ehe Ende vergangener Woche das oberste französische Verwaltungsgericht die Verbote für unrechtmässig erklärte.
Zu einer Versachlichung der Kontroverse führte aber auch das nicht. Rechte PolitikerInnen forderten umgehend ein gesetzliches Verbot des Burkinis. Allen voran Marine Le Pen: Die Vorsitzende des Front National erklärte, dass der Gesetzgeber eingreifen müsse, «um den Fundamentalismus zu bekämpfen, die Frauen zu schützen, den Laizismus und unsere Lebensart zu wahren». Bemerkenswert daran ist die Instrumentalisierung des Laizismus und der Frauenrechte durch die rechtsextreme Partei: Diese verbrämt ihren Rassismus schon länger als Verteidigung republikanischer Werte. Symbolische Debatten wie die gegenwärtige spielen der Rechten insofern in die Hände, als sie dabei die reaktionäre Erzählung von einem angeblich tobenden «Kampf der Kulturen» vor grossem Publikum bewerben kann.
In ähnlicher Weise wie Le Pen äusserte sich auch Expräsident Nicolas Sarkozy, der kürzlich erst seine erneute Kandidatur für das höchste Staatsamt verkündet und bei dieser Gelegenheit gleich der «Tyrannei der Minderheiten» den Krieg erklärt hatte. Angesprochen auf den Einwand, dass ein Anti-Burkini-Gesetz womöglich verfassungswidrig sei, entgegnete er, dass dann eben die Verfassung geändert werden müsse. Sarkozys Motivation, sich derart als Hardliner zu gerieren, dürfte in dem Kalkül begründet liegen, Le Pen bei den kommenden Wahlen möglichst wenig Platz rechts von sich zu lassen.
Rechtsanschlussfähige Linke
Unübersichtlicher sind die Positionen innerhalb der regierenden sozialistischen Partei. Auf der einen Seite unterstützte Premierminister Manuel Valls den Burkinibann, da die Bademode Ausdruck eines «religiösen Eifers, der Frauen einsperrt», sei. Auch nach dem Urteil des Gerichts blieb Valls auf dieser Linie: Es gehe darum, den «tödlichen, rückschrittlichen Islam» zurückzuweisen. Auf der anderen Seite kritisierten Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem und Gesundheitsministerin Marisol Touraine die Behörden dafür, Frauen ihre Kleidung vorzuschreiben.
Links vom Parti socialiste verurteilte derweil Jean-Luc Mélenchon, Vorsitzender der Linkspartei, das Tragen eines Burkinis zunächst als eine politische Provokation, bei der es sich um eine «abscheuliche Instrumentalisierung des weiblichen Körpers» handle. KritikerInnen warfen ihm daraufhin vor, mit seiner Rhetorik nach rechts zumindest anschlussfähig zu sein. Bei einem öffentlichen Auftritt am Sonntag in Toulouse begrüsste Mélenchon indes die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die Burkiniverbote aufzuheben, da die ganze Debatte «eine beispiellose Farce» sei. Und ergänzte: «Frankreich hat keine Rasse, keine Hautfarbe, keine Religion. Dieses Land gehört euch allen.»