Westsahara und Marokko: Nervenkrieg im Wüstensand
In nur 120 Metern Entfernung stehen sie sich im Sand gegenüber, Einheiten der königlichen marokkanischen Gendarmerie und Truppen der sahrauischen Befreiungsbewegung Frente Polisario. Schauplatz ist der äusserste Südwesten der Westsahara: die Region um El Guerguerat. Die Lage ist so kritisch wie kaum je seit dem Waffenstillstand von 1991.
Ausgelöst hat die Krise Marokko: Bewaffnete Angehörige der Gendarmerie überquerten am 11. August mit Baugerät den marokkanischen Grenzwall; dieser trennt die von Marokko besetzten Gebiete von den Gebieten, die der Polisario kontrolliert. Die Sicherheitskräfte begannen, die Sandpiste in Richtung mauretanische Grenze zu teeren; dies sei eine «Aktion gegen Schmuggler und kriminelle Elemente». Doch die Zone südlich der Grenzmauer wurde 1991 als Pufferzone deklariert, in der es keine militärische Präsenz geben darf. Der Polisario beschwerte sich bei der Uno-Mission Minurso, die den Waffenstillstand überwacht und eine Abstimmung über den endgültigen Status der Westsahara vorbereiten soll. Erst als der Polisario Sondertruppen nach El Guerguerat schickte, um die Bauarbeiten zu stoppen, reagierte die Uno: Sie zeigte sich besorgt über die beiderseitige Verletzung des Waffenstillstands. Seither ringt der Uno-Sicherheitsrat um eine Position. Der Polisario verlangt die Wiederherstellung der ursprünglichen Situation, Marokko will die Strasse weiterbauen, um damit auch das Grenzgebiet zu Mauretanien zu kontrollieren. Der Polisario weist darauf hin, dass die Uno frühere Versuche Marokkos zum Bau einer solchen Strasse unterbunden hatte.
Sahrauis in den besetzten Gebieten berichten derweil von verschärfter Repression und vom Zusammenzug von schwerem marokkanischem Kriegsgerät in der regionalen Hauptstadt Ajun. Auch der Polisario hat in seinem Gebiet die Truppen verstärkt. Mit seiner Provokation torpediert Marokko einmal mehr die Wiederaufnahme der Gespräche, die der versprochenen Abstimmung vorangehen sollen.