Kampf um Aleppo: Wladimir Putin setzt auf seine altbewährte Strategie
Hunderte Bombenangriffe innerhalb weniger Stunden. Ganze Strassenzüge in Schutt und Asche. Mindestens 250 Tote und unzählige Verletzte. 300 000 Menschen sind seit Monaten eingekesselt, praktisch ohne Wasserzufuhr oder Medikamente. Die Bilanz der letzten Tage ist verheerend: Aleppo zerfällt vor aller Augen.
Seit die «Waffenruhe» scheiterte, ist die syrische Armee wieder im Einsatz. Unterstützt von der russischen Luftwaffe, wird das von oppositionellen Kräften gehaltene Ost-Aleppo bombardiert, am Dienstag dieser Woche hat offenbar auch eine Bodenoffensive begonnen. Ihr erklärtes Ziel ist es, Aleppo schnellstmöglich einzunehmen – oder eben zu zerstören. Heuchlerische Appelle an alle Beteiligten oder – so berechtigt sie auch sind – Vorwürfe an die Adresse Moskaus helfen da wenig.
Vor rund einem Jahr hat Russland erstmals in den Konflikt eingegriffen. Seither ist es im Nahen Osten zum entscheidenden Akteur geworden. Wladimir Putins Strategie in Aleppo ruft Erinnerungen wach: Es ist die gleiche wie im zweiten Tschetschenienkrieg. Nach einem Aufstand islamistischer Rebellen im Jahr 1999 hatte die russische Armee Tschetscheniens Hauptstadt Grosny umstellt. «Wer bleibt, wird zerstört», stand auf Flugblättern, die SoldatInnen an die Bevölkerung verteilten. Wer die Stadt nicht verlasse, sei ein «Terrorist und Bandit», erklärte Putin, damals Russlands Ministerpräsident.
Bei Kriegsende zehn Jahre später war Grosny praktisch vollkommen zerstört – und Putin umjubelter Präsident Russlands. Mit Geld aus Moskau wurde Grosny im Anschluss wieder aufgebaut, heute ragen überall in der Stadt funkelnde Glasfassaden in den Himmel. Lokalfürst Ramsan Kadyrow regiert die Republik mit harter Hand – und persönlicher Unterstützung Putins. Und die islamistischen Aufständischen sind in den Untergrund gegangen und destabilisieren umliegende Regionen.
Wie jetzt beim Syrienkrieg hatte es in Tschetschenien immer wieder geheissen, militärisch könne der Konflikt nicht entschieden werden. Im Kampf um Grosny bewies Putin das Gegenteil. Ähnlich könnte es auch jetzt laufen – mit einem entscheidenden Unterschied: Mit seinem tschetschenischen «Antiterrorkampf» hat es Putin letztlich geschafft, die Unruheregion unter Kontrolle zu bringen. Mit einem Sieg in Aleppo wird der Syrienkrieg hingegen noch lange nicht in Assads (und Putins) Sinn entschieden sein. Er wird vielmehr weitergehen – mindestens Jahre, vielleicht Jahrzehnte. Genauso wie das masslose Leid der Syrerinnen und Syrer.