Rede vor den VerlegerInnen: «Aufs Kerngeschäft besinnen!»

Nr. 39 –

Mit folgenden Worten zur Bedeutung der Unabhängigkeit der Medien versuchte WOZ-Redaktor Kaspar Surber (letztlich vergeblich), die VerlegerInnen von seiner Wahl ins Präsidium zu überzeugen.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen

Wir treffen uns heute hier als Verleger zu unserer Jahresversammlung. Das ist eine gute Gelegenheit, die Frage aufzuwerfen, was einen guten Verleger auszeichnet. Sie werden überrascht sein, das von einem Linken zu hören, doch ist es das Gleiche, was einen Unternehmer generell auszeichnet: Es ist die Besinnung aufs Kerngeschäft.

Was ist unser Kerngeschäft? Auch wenn einige von uns heute vorzugsweise Autos und Immobilien, Daten und Termine im Internet verkaufen – unser Kerngeschäft ist und bleibt die Demokratie. Genauer: der Beitrag zur Willensbildung in der Demokratie.

Die Voraussetzung für eine vielfältige Demokratie sind unabhängige Medien. Diese Unabhängigkeit gerät in der gegenwärtigen Medienkrise unter Druck.

Wenn ich nun für das Präsidium unseres Verbandes kandidiere und wenn ich Sie zu meiner Wahl auffordern darf, dann aus diesem Grund: Mit mir wählen Sie einen Vertreter, der sich im und über den Verband Schweizer Medien hinaus für die Unabhängigkeit der Medien einsetzen wird. Bekanntlich gehört die WOZ niemandem. Sie gehört einzig uns Angestellten, und das erst noch gemeinsam.

Wir haben uns zu einer Kandidatur entschlossen, weil wir in Sorge sind um unseren Verband. Und weil wir seine Zukunft mitgestalten wollen.

Die Äusserungen im letzten Jahr, man gebe bei Inserateboykotten bei Bedarf Firmen oder Parteien nach: Das hat einen beträchtlichen Flurschaden angerichtet.

Umso wichtiger ist es, dass unser Verband in den kommenden Jahren die Unabhängigkeit mit voller Kraft voraus garantiert. Eine wichtige Forderung sind faire Arbeitsbedingungen und ein guter Gesamtarbeitsvertrag. Denn nur wenn Journalisten genug Zeit haben für ihre Recherchen und fair entlöhnt werden, sind sie gegen PR-Spins und politische Druckversuche gefeit.

Ebenfalls möchte ich dazu beitragen, den kontraproduktiven Streit mit der SRG zu beenden. Ein starker Service public ist ebenso ein Garant einer vielfältigen Demokratie, wie wir es als unabhängige Verleger sind. Überlegen wir uns besser gemeinsam, wie wir die Medien nachhaltig finanzieren.

Gerade weil die WOZ nur bescheidene kommerzielle Interessen verfolgt, können wir als Brückenbauer dienen: in unserem Verband und nach aussen, zur SRG, in der Politik.

Wie Sie in der Einladung gelesen haben, unterstützt das Präsidium meine Kandidatur nicht. Und es hat sich geweigert, den Stimmrechtsschlüssel dieser Versammlung offenzulegen, weil sonst Geschäftsgeheimnisse publik würden. Wir sehen das vereinsrechtlich anders: Für eine transparente Ausgangslage müsste selbstverständlich jedes Mitglied wissen, wie viele Stimmen jedes andere hat.

Immerhin wurde ich informiert, dass die Mitglieder des Präsidiums zusammen über fast die Hälfte der Stimmen verfügen.

Ich empfehle deshalb allen kleinen Verlagen, die wie wir nur eine oder zwei Stimmen haben: Damit eine Sensation möglich ist, müssen wir zusammenhalten.

Nun zu Ihnen im Präsidium: Lange habe ich mir überlegt, wie ich Sie doch noch von meiner Wahl überzeugen könnte. Dann ist mir etwas aufgefallen: Gemäss Statuten kann unser Vorstand maximal elf Mitglieder haben. Wenn Sie alle gewählt werden, sind Sie nur zu acht. Was machen Sie bei einem Patt? Dann ist es vorbei mit einer klaren Linie. Dann sind Sie vielleicht ganz froh, wenn eine neunte Stimme den Ausschlag gibt. Es könnte auch die Ihre sein.

Und noch ein letzter Grund, mich zu wählen: Ich glaube, als Vertreter einer jüngeren Generation könnte ich eine neue Sichtweise einbringen, gerade was die digitalen Herausforderungen betrifft.

Meine Damen und Herren, besinnen wir uns auf das Kerngeschäft: Machen wir uns mit unseren Verlagen für die Demokratie und die Unabhängigkeit stark! Pflegen wir auch in unserem Verband die Demokratie und die Auseinandersetzung.

Ich danke Ihnen für Ihre Stimme! Und falls Sie die Möglichkeit haben: gerne auch für mehrere Ihrer Stimmen!