Friedensnobelpreis: Juan Manuel Santos’ eigene Opfer
Er werde den Friedensnobelpreis den Opfern des Bürgerkriegs widmen, sagte Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos, nachdem er erfahren hatte, dass er der diesjährige Preisträger ist. Er hätte auch sagen können, er werde ihn seinen eigenen Opfern widmen. Schliesslich war Santos als Verteidigungsminister seines Amtsvorgängers Álvaro Uribe einer der grössten Kriegstreiber, überzog Lager der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) mit Bombenteppichen und war politisch verantwortlich für die «falsos positivos»: Soldaten hatten weit über tausend ZivilistInnen entführt und getötet, sie in Uniformen gesteckt und als in der Schlacht getötete Guerilleros ausgegeben.
Santos hat aus seiner politischen Verantwortung dafür nie Konsequenzen gezogen. Doch er ist über seinen Schatten gesprungen und hat mit der Guerilla der Farc nach 52 Jahren Krieg einen Friedensvertrag unterzeichnet. Das verdient Respekt.
Nun ist dieser Vertrag in einer Volksabstimmung am 2. Oktober hauchdünn abgelehnt worden, die Zukunft des Friedensprozesses ist unsicher. In diesem Zusammenhang muss auch der Preis gesehen werden: als Unterstützung für Santos nach seiner Abstimmungsniederlage und als Aufruf, den Friedensprozess trotzdem zu einem guten Ende zu führen. In Kolumbien versteht das jedeR, und das ist heikel. So etwas kann schnell als ungebührliche Einmischung von aussen gesehen werden.
Das Nobelpreiskomitee hat dies in Lateinamerika schon mehrfach versucht – und damit noch nie Erfolg gehabt. Nicht die Verleihung des Friedensnobelpreises an den argentinischen Menschenrechtler Adolfo Pérez Esquivel (1980) hat zum Ende der dortigen Diktatur beigetragen, sondern die Niederlage der Militärs im Malvinenkrieg. Nicht der Preis für den costa-ricanischen Präsidenten Óscar Arias und seinen Friedensplan (1987) hat die Bürgerkriege in Nicaragua und El Salvador beendet, sondern das Ende des Kalten Kriegs. Und die 1992 ausgezeichnete guatemaltekische Maya-Indígena Rigoberta Menchú wurde durch die Auszeichnung nur selbst bekannt – den Bürgerkrieg in ihrem Land hat das nicht beeinflusst.
So nimmt der Preis am ehesten Santos selbst in die Pflicht. Gleich nach der Volksbefragung zum Friedensvertrag hat er den Waffenstillstand mit der Farc zum 31. Oktober aufgekündigt. Natürlich will er damit in den Nachverhandlungen Druck ausüben. Aber solche Drohungen können schnell blutige Realität werden. Als Friedensnobelpreisträger kann sich Santos das eigentlich nicht mehr leisten.