Von oben herab: Geile Sache

Nr. 45 –

Stefan Gärtner über die Schliessung des Swiss Brand Museum

«Ich» ist ja, wider die populäre Vermutung, doch kein anderer, sondern die anderen sind die anderen, und die anderen sind die Hölle. Bzw. die coolen Kifferjungs im Haus, die ihre vollen Wertstoffsäcke nicht richtig zugebunden oder kaputt vors Haus stellen, sodass sie sich beim Abholen auf den Gehsteig entleeren, der dann einer Restmüllhalde aus Shampooflaschen und Joghurtbechern gleicht, bis der Regen oder ein gütiger Hausmeister die Schweinerei beseitigt. Sodass mein Redakteur sich wieder darüber freuen wird, wie stur ich mich von links empören kann, wenn intellektuell-moralisch überforderte Knallköpfe mir ihren Abfall vor die Füsse sauen; und die Jugend sich als genauso retardiert hervortut wie wir Alten.

Schon sind wir beim Thema, wobei ich dem Berner Swiss Brand Museum immerhin aus dem Weg gehen kann; bzw. konnte, denn es schliesst. Dabei hatte erst im April des Vorjahres srf.ch kongenial eröffnet: «Sie sind jung, sie sind innovativ und sie eröffnen am Mittwochabend das erste Schweizer Markenmuseum – die Berner Christian Herren (23) und Levin Dennler (22). In einem alten Zollhaus auf der Berner Nydeggbrücke lockt das Swiss Brand Museum mit bekannten, aber auch unbekannten Schweizer Erfindungen.» Das Foto zeigte zwei Hanseln in Galeristenuniform, deren jüngerer «in Bern kein Unbekannter» war: «Bereits mit 19 Jahren leitete er die Galerie Eletto, später wurde er Leiter einer Kunstsammlung im Oberaargau.»

Laut «Bund» vom 2. November sollen «Experten» zu Beginn «die kuratorische Unabhängigkeit der Betreiber» bezweifelt haben, denn ist die Trägerin eines Museums eine Marketing- und Kommunikationsagentur, braucht es Fachleute, um über dessen Abhängigkeiten urteilen zu können, wie z. B. den Oberkurator selbst: «Diesen Vorwurf will Herren auch heute nicht gelten lassen. ‹Die Unternehmen hatten keinen Einfluss darauf, wie ihre Produkte bei uns arrangiert wurden›, sagt er. Sie zahlten dem Museum aber jeweils die Szenografie, also etwa die Anfertigung von Vitrinen» – nichts gegen ein Produktmuseum, das die Welt aus Apple und Reklame auch nicht weiter verschlimmern kann, und nur recht, dass derlei Werbung nicht aus Steuermitteln finanziert wird. Aber wie traurig, jungen Menschen zuzuhören, denen alles egal ist! «Die Idee des Swiss Brand Museums soll auch ohne festen Standort weiterleben: Herren will etwa weiterhin Unterlagen über Schweizer Marken für Schulen produzieren», die diese Unterlagen hoffentlich grosszügig verteilen, damit die Kinder lernen, was ein Marken-, Waren- und Objektfetisch ist, ohne dass sie erst warten müssen, bis sie, erwachsen, etwa ein gehobenes Einrichtungsmagazin durchblättern, wo die tote Welt des reinen Produkts als gruseliges Wunschbild inszeniert wird.

Aber nun macht das Museum ja zu, und natürlich ist Herren zufrieden: «Wir haben ein breites Spektrum an Marken in der Schweiz aufgezeigt.» Was man so sagt, wenn das sprachliche Spektrum nicht ganz so breit ist. «Zuerst habe er gedacht, dass er nur Käse und Schokolade ausstellen könne. Doch dann hätten auch Unternehmen ganz anderer Sparten zugesagt. Laut Herren war das Unterfangen ein Liebhaberprojekt.» Denn wir lieben unsere Sachen, und im Naturkundemuseum neulich hat eine Neunjährige die schönen Fische nicht, wie ich, angestaunt, sondern fotografiert, mit dem Smartphone, jeden einzelnen.

Da muss es hin. Da ist es schon.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.