Daniel Suter (1949–2017): Der kämpferische Brückenbauer
Gerechtigkeit und Anstand: Daran hat sich der Journalist, Gewerkschafter und Schriftsteller Daniel Suter orientiert. An Silvester ist er 67-jährig in Zürich gestorben.
Daniel Suter war einer der aufmerksamsten Menschen, die ich gekannt habe. Wenn er gelegentlich bei grösseren Einladungen bei uns zu Besuch weilte, half er immer, wo gerade Hilfe nötig war, und wusste schon bald, wo sich unsere eigenwillig eingeordneten Küchenutensilien befanden.
Aufmerksam gegenüber Menschen und aufmerksam gegenüber Dingen: Seine Texte und Romane waren in allen Details minutiös recherchiert. Das mochte auch mit seiner Ausbildung als Jurist zusammenhängen. An dieser schätzte er allerdings vor allem die Genauigkeit, während ihm anderes profund missfiel.
Verbindlich, freundlich, hartnäckig
1949 in Berlin geboren, aufgewachsen im Kanton Zürich, war er nach dem Jusstudium zuerst Sekretär beim Arbeitsgericht, wollte dann aber, wie er der WOZ im Jahr 2009 in einem Interview erklärte, nicht so werden wie andere JuristInnen, denen die Menschen nur noch zu Fällen gerieten. Deshalb ging er zu einer Beratungszeitschrift und kam 1987 zum «Tages-Anzeiger». Dort lernte ich ihn kennen und schätzen. In schwierigen Situationen konnte man sich auf ihn verlassen, 1989 bei der Entlassung des Korrektors und Gewerkschafters Roland Kreuzer, 1991 bei der Absetzung von Chefredaktor Viktor Schlumpf.
Anstand, Gerechtigkeit: Das waren die Tugenden, an denen sich Daniel Suter orientierte und die er bei den Handlungen der damaligen Geschäftsleitung vermisste. Er, der sonst so verbindlich und freundlich war, konnte dann hartnäckig und kämpferisch werden. Das zeigte sich besonders 2009, als Tamedia auf einen Schlag 52 Redaktionsmitgliedern kündigte. Als Präsident der Personalkommission trat Daniel Suter prominent bei den öffentlichen Protesten und den Verhandlungen auf. Schliesslich erklärte sich der Konzern zumindest bereit, die Geldsumme für den Sozialplan zu verdoppeln.
Journalistisch war Daniel Suter vielfältig tätig, so wie seine Interessen und Kenntnisse breit gestreut waren, von der Innen- zur Aussenpolitik, von der Gerichtsberichterstattung zur Kultur. Er selbst verlor 2009 im sogenannten Maimassaker nach 22 Jahren TA-Mitarbeit ebenfalls die Stelle. Unterstützt von der Gewerkschaft Syndicom, reichte er Strafklage wegen missbräuchlicher Kündigung ein. Und zwar aus grundsätzlichen Erwägungen, da er wegen seiner Tätigkeit als Personalvertreter Schutz geniessen müsse.
Das Zürcher Arbeitsgericht gab ihm recht, doch wurde der Entscheid Mitte 2011 vom Obergericht umgestossen, und im März 2012 lehnte das Bundesgericht die Berufung ab – mit der leicht zynischen Begründung, es dürfe bei Entlassungen keine Vorzugsbehandlung geben. Aber gerade darum geht es ja, leider. PersonalvertreterInnen sind besonders exponiert, also müssen sie besonders geschützt werden. Die Schweiz ist in dieser Sache mehrfach von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gerügt worden. Nachdem 2015/16 zwei vom Bundesrat in Auftrag gegebene Studien «Handlungsbedarf» erkannt haben, organisiert der Bund für dieses Jahr immerhin Workshops zwischen den Sozialpartnern.
2011 fragte Daniel Suter Freunde und Kolleginnen, ob er Präsident des journalistischen Berufsverbands Impressum werden solle, da er doch jahrzehntelang im Rahmen von Syndicom gewirkt hatte. Natürlich rieten wir ihm dazu. Tatsächlich konnte er Impressum aktivieren und mit seiner Doppelmitgliedschaft weitere Brücken zwischen den beiden Medienverbänden bauen. Die gemeinsame Aktion «Jetzt schlägts 13» brachte den Verlegerverband 2014 zum Umdenken – er erklärte sich sogar bereit, wieder über einen Gesamtarbeitsvertrag verhandeln zu wollen.
Beeindruckend gelassen
Schon vor der erzwungenen Frühpensionierung hatte Suter 2008 in der Edition 8 seinen ersten Roman «Der Insider» veröffentlicht; 2012 folgte der zweite, «Die ägyptische Tochter». Sie spielen, präzis geschildert, in der Finanzwelt beziehungsweise in der Zürcher Stadtplanung. Suter war ein solider, eingängiger Stilist. Beide Romane zeigen Männer, die unter gesellschaftlichem Druck in Krisen geraten, bis zum Zusammenbruch oder zur verbrecherischen Verstrickung.
Dann traf Daniel Suter Mitte 2014 die Diagnose eines Hirntumors. Er nahm sie beeindruckend gelassen. Er könne zufrieden auf sein Leben zurückblicken, sagte er, er habe vieles erreicht, zusammen mit seiner Frau Anita Regula Suter-Künzler, Dozentin für Schulberatung, und den beiden Kindern Mischa und Anja, Historiker und HistorikerIn und selbst journalistisch tätig, auch bei der WOZ. Ein Jahr bleibe ihm vermutlich, hatten die Ärzte gemeint. Solange es ging, erfüllte er seine Aufgaben bei Impressum.
Und er wollte noch seinen grossen Roman «Die Unvergleichlichen» veröffentlicht sehen, der 2015 erschienen ist. Dieser stellt zwei unverwechselbare Leben aus der eigenen Familiengeschichte dar, in detaillierter Individualität. Da ist Jenny Gass aus dem Basler Daig, und da ist Paula Ahrons, deutsch-jüdischer Herkunft, nach der Migration in die Schweiz in Zürich zum unteren Mittelstand gehörend. Als Unvergleichliche sind sie gegensätzlich angelegt, als Pole der schweizerischen Gesellschaft, und um sie herum entfaltet sich ein imponierendes Gewebe sozialer Entwicklungen.
Alles, was über das eine Jahr hinausgehe, nehme er als Zugabe, sagte er, nachdem er die Tumordiagnose erfahren hatte. Und nach dieser Einsicht lebte er. Er nahm es auch hin, als seine Sprachfähigkeit abnahm. In den letzten Wochen ist das Ende schnell gekommen. Am 31. Dezember, zum Ende eines wahrhaft unerquicklichen Jahres, ist Daniel Suter in Zürich gestorben.
Lesen Sie das vierteilige WOZ-Monatsinterview mit Daniel Suter vom Juni 2009 auf www.woz.ch.