Rassismus: Rassisten Rassisten nennen

Nr. 2 –

Der St. Galler Grünliberale Markus Portmann darf den SVP-Lokalpolitiker Marcel Toeltl als «Nazi-Sympathisanten» und «bekennenden Rassisten» bezeichnen. Das stellt die St. Galler Justiz fest. Die Geschichte einer guten Vorbereitung.

«Geht es gegen Schwache, werde ich militant»: Der St. Galler Grünliberale Markus Portmann.

Markus Portmann (55) kann ziemlich radikal werden, wenn sein Gerechtigkeitsgefühl verletzt wird. «Geht es gegen Schwache, werde ich militant und setze mich für sie ein», sagt er. Das war schon der Fall, als er einst in Ställe einstieg und die Folgen von Massentierhaltung dokumentierte. Das war auch später so, als sich Portmann vom Verein gegen Tierfabriken abwandte, weil Vereinspräsident Erwin Kessler gegen die Einführung der Antirassismusstrafnorm Sturm lief. Und es war auch der Fall, als er sich mit einem Winterthurer Journalisten solidarisierte, der den Rheintaler SVP-Lokalpolitiker Marcel Toeltl auf Twitter als «Braunwurst» und «Trottel» bezeichnet hatte, deswegen von Toeltl angezeigt und inzwischen rechtskräftig wegen übler Nachrede und Beschimpfung verurteilt wurde. Portmann fand, es könne nicht sein, dass ausgerechnet ein «übler Hetzer gegen Flüchtlinge» den Beleidigten spiele.

«Der weisse Mensch rottet sich aus»

Toeltl, Präsident der SVP St. Margrethen, sondert auf seinem Blog regelmässig schlimme Elaborate ab: «Unsere Gender-Turbos tun alles, damit der weisse Mensch sich nicht mehr klar orientieren kann über seine Sexualität und seine Rolle zur Erhaltung der Spezies Mensch. Der weisse Mensch rottet sich damit selber aus, während dem sich nicht weisse Menschen vermehren was das Zeug hält.» Oder: «Nachdem dann die kritische Masse, und damit mein ich auch die Sättigung vermeintlicher Flüchtlinge überschritten wurde, hört’s nicht auf. Gerade Flüchtlinge aus Eritrea und Syrien, welche nachweislich einen sehr tiefen Länder IQ haben, sind in unserem Land, wirtschaftlich gesehen, Fehl am Platz.» (Fehler im Original, Anm. d. Red.) Markus Portmann wollte ein Zeichen setzen. Er schickte Toeltl ein Mail: «Sind Sie nun ein Brauner oder nur ein Trottel? Aufgrund Ihrer Grundhaltung wohl beides, und ein Brauner ist ja per se ein Trottel. Ihre latente Ausländer- und Fremdenhetzschreiberei zeigt es: Sie sind ‹nöd de Hellscht› – ein übler Rechtsaussen-Fettsack mit Spatzenhirni. Ein Wichtigtuer. Eine Wurst.» Toeltl zeigte Portmann an – und hatte Erfolg: Das Kreisgericht St. Gallen verurteilte Portmann im Juli 2015 wegen Beschimpfung. Toeltl dagegen wurde im November 2015 vom Kreisgericht Altstätten vom Vorwurf der Rassendiskriminierung freigesprochen.

Portmann konnte immerhin aufgrund von Tatsachenbeweisen eine Strafbefreiung erwirken. Damit ist er nicht vorbestraft. Er hatte Toeltls Aktivitäten auf dessen Blog, auf Facebook und auf Twitter gründlich recherchiert und konnte aufzeigen, dass sich Toeltl online in Netzwerken von Rechtsextremen, GeschichtsrevisionistInnen, Islam- und JudenhasserInnen und Neonazis bewegt.

Portmann hätte jetzt Ruhe geben können. Aber der ehemalige Parteisekretär der St. Galler Grünliberalen liess nicht locker. Vor einem Jahr hinterliess er auf einer Internetseite einen Kommentar: «Was man schon längst hätte fragen sollen: Herr Parteipräsident Huser (Kantonalpräsident der St. Galler SVP, Anm. d. Red.), wie haben Sie’s mit dem braunen Pack in Ihrer Partei? Sie kandidieren gemeinsam mit dem Obmann der Dorfpartei St. Margrethen, einem bekennenden Rassisten und Nazi-Sympathisanten, auf der Wahlkreisliste für den Kantonsrat.»

Die Reaktion liess nicht lange auf sich warten. Toeltl zeigte ihn abermals an, diesmal wegen Verleumdung und übler Nachrede. Doch jetzt war Markus Portmann noch besser vorbereitet. Er reichte detaillierte und umfangreich dokumentierte Entlastungsbeweise ein. Portmann dokumentierte unter anderem rassistische Textpassagen auf Toeltls Blog, seine Twitter-Verbindungen mit Neonazis sowie dessen Mitgliedschaft in Communitys von «SchweizerKrieger», einer rechtsextremen Plattform. Toeltl, so Portmann, verbreite unter anderem auch regelmässig Texte und Bilder des rechtsextremen Islamhassers Karl-Michael Merkle. Diesen darf man laut einem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom Juni 2015 als «bekannten Neonazi» bezeichnen.

Vernichtendes Urteil

Die Staatsanwaltschaft verfügte im August letzten Jahres daraufhin die Einstellung des Verfahrens gegen Markus Portmann. Die Einstellungsverfügung ist ein interessantes Dokument. Dort drin heisst es unter anderem: «Betrachtet man Marcel Toeltls Kommentare und dessen Kontakte in den sozialen Medien, wie vom Beschuldigten geltend gemacht, als ein Gesamtwerk, kommt man zu dem Schluss, dass der Beschuldigte zumindest in guten Treuen davon ausgehen konnte, dass seine Äusserungen bezüglich Marcel Toeltl der Wahrheit entsprechen (…). Das Verfahren wegen übler Nachrede wird daher eingestellt.» Und: «Die Tatsache, dass Marcel Toeltl für einen seiner Blogeinträge vom Verstoss gegen den Antirassismusartikel freigesprochen wurde, ändert daran nichts.»

Marcel Toeltl liess die Einstellungsverfügung durch seinen Anwalt Hermann Lei bei der Anklagekammer St. Gallen anfechten. Die Anklagekammer schützte den Entscheid der Staatsanwaltschaft – und begründete in ihrem umfangreichen und akribisch hergeleiteten Entscheid, weshalb Markus Portmann den SVP-Politiker als «bekennenden Rassisten» und «Nazi-Sympathisanten» bezeichnen darf. Zitat: «Da der Beschwerdeführer seine Meinung mehrfach und öffentlich im Internet äusserte, hat er sich zu dieser auch bekannt. Den Umstand, als ‹bekennender Rassist› wahrgenommen zu werden, hat er sich daher selber zuzuschreiben und angesichts seiner wohl bewusst provozierenden Äusserungen – zumal als Präsident einer Ortspartei und damit als regional bekannte politische Figur – auch gefallen zu lassen.»

Ein vernichtendes Urteil für Toeltl – und die SVP-Kantonalpartei. Nun hat sie einen «bekennenden Rassisten» in ihren Reihen. Toeltl beziehungsweise sein Anwalt Hermann Lei ziehen den Entscheid ans Bundesgericht weiter.

Toeltl ist kein Einzelfall. In Wil SG wurde der ehemalige SVP-Stadtparlamentarier Mario Schmitt im Sommer 2015 aufgrund eines Islam-Posts in erster Instanz wegen Rassendiskriminierung verurteilt. Sein Anwalt: Hermann Lei. Schmitt und Lei haben das Urteil ans Kantonsgericht weitergezogen. In Zürich macht derzeit der Fall des ehemaligen SVP-Lokalpolitikers Christian Klambaur aus Rüti Schlagzeilen. Auf seiner Facebook-Seite war ein rassistisches Video gepostet. Klambaur kam offenbar mit seinem Austritt aus der SVP einem Parteiausschluss zuvor.

Markus Portmann hat erreicht, worum es ihm in solchen Fällen geht: dass man einen Rassisten als Rassisten bezeichnen darf.