Wichtig zu wissen: Der Oscar geht an Freysinger
Ruedi Widmer würdigt einen Abgewählten
Eine der grossen Hinterlassenschaften des gerade abgewählten Walliser Staatsrats Dr. Oskar Freysinger (SVP) bleibt seine Entdeckung, dass sich «Fuzzi» auf «Bortoluzzi» reimt. Damit begann 2002 seine nationale Karriere. Es braucht keine elitären Universitätsabschlüsse oder Millionen, um eine Machtposition in der Schweiz zu erreichen. Freysinger ist Ansporn und Beweis, dass man es allein mit Kunst und einer eigensinnigen Frisur zu etwas bringen kann.
Freysingers «fünfzehn Minuten Ruhm» dauerten aber doch fünfzehn Jahre. Er hatte schon etwas zu bieten, nämlich eine interessante Zwiespältigkeit. Freysinger war Provokateur, aber ohne sichtbare Idee. Er griff zur Macht, hatte aber nicht wirklich Lust dazu. Er wollte die harte politische Gestaltungsarbeit, blieb aber an der Kunst hängen. Er pflegte neben seiner Rolle des staatstragenden Bildungsdirektors ein normales rechtsradikales Leben. Das ist schwierig in einer Talschaft wie dem Wallis, wo jeder jeden kennt.
Natürlich hat sich Oskar Freysinger um das Wallis verdient gemacht. Er vertrat die Schweiz an der Berliner Konferenz der Zeitschrift «Compact» des Dr. Jürgen Elsässer, eine Auszeichnung innerhalb der rechten Wirrkopfszene, wie sie bildenden KünstlerInnen vielleicht mit einer Einladung an die Biennale Venedig widerfährt. Er trat als einziger Schweizer Politiker in Wladimir Putins Fernsehsender auf. Er verhinderte mit seinem eingangs zitierten Gedicht die Bundesratskarriere von Toni Bortoluzzi, die für die Zürcher SVP viel zu gefährlich geworden wäre, weil sie zu einer Art rechtem Willi Ritschard geführt hätte. Er führte 2013 den serbischen Genozidleugner Slobodan Despot als seinen Berater in die gehobenen Kreise des Wallis ein und ebnete so auch den Weg für Stephen Bannon, sich ähnlich von Donald Trump anstellen zu lassen. «Die Tunten werden sterben» ist keine Gedichtzeile Freysingers, sondern ein Satz eines weiteren von ihm ernannten Beraters, des bewaffneten «Überlebensexperten» Piero San Giorgio. Freysinger hatte den Mann in eine Arbeitsgruppe geladen, die das Wallis auf mögliche Katastrophen vorbereiten sollte (Hungersnot, Staudammbruch, Christian Constantin, Sepp Blatter, Abwahl Oskar Freysinger). Nach zwei Sitzungen war Schluss damit.
Freysinger ist einer der wenigen Schweizer Politiker, die mit nacktem Oberkörper auftraten; auch hier natürlich ein Verweis auf die Homoerotik des von ihm verehrten Kreml-Herrschers. Doch offenbarte dieser Akt auch seine Rolle zwischen Stuhl und Bank. Wo beim stolzen Berner Patrioten Gölä das tätowierte Bernerwappen prangt, bleibt bei Freysinger eine bleiche Brust. Das enttäuschte sowohl das Walliser Volk als auch die Rechtsradikalen Europas, die dort eine Reichskriegsflagge erwartet hätten.
Oskar Freysinger wird sich kaum zurückziehen. Dazu ist er zu unbequem, auch sich selbst gegenüber. Er liebt verquere Herausforderungen wie Bundesratskandidaturen und lyrische Ausbrüche aus der hohen Kultur. Er wird vielleicht Hausdichter der serbelnden SVP-nahen Zeitung «Die Weltwoche» oder des «Compact»-Magazins. Oder Nachfolger des Fifa-Chefs Gianni Infantino. Oder er wird mit Geert Wilders sein paneuropäisches Netzwerk der Coiffeurkunst weiterspinnen.
Im Vergleich zu anderen SVP-Grössen blieb Freysinger für die Partei stets unberechenbar. Das ist ein Risiko in einer Wirtschaftspartei der klaren Zuständigkeiten und wohldosierten Provokationen (Glarner: Ausländerhass, Köppel: Elitenhass), die zwar das rechtsextreme Gedankengut als kleines Feuerchen zur Anbindung des braunen Rands lodern lässt, sich aber auch dessen Gefahr für den eigenen Führungszirkel in den Zürichseegemeinden bewusst ist. So gesehen ist der irrlichternde Freysinger für ausserhalb der SVP stehende Menschen die transparenteste Figur dieser Partei.
Ruedi Widmer ist Cartoonist in Winterthur.