Wir wollen es uns nicht zur Gewohnheit machen, Ausstellungen zu empfehlen, die im Empfangsbereich von Privatbanken gezeigt werden. Aber in besonderen Fällen ist es geboten, eine Ausnahme zu machen, wie bei der 27-jährigen US-Fotografin Eva O’Leary, deren Spezialität die fragile Kraft von Oberflächen ist. Auf Einladung von Kurator Urs Stahel bringt sie eine Reihe von Bildern nach Zürich, die uns mitnehmen an ihren Geburtsort, ein kleines Städtchen im Herzen von Pennsylvania, das sich den Übernamen «Happy Valley», glückliches Tal, gegeben hat.

Dieser verlockende Name funktioniert wie eine falsche Haut, die vor der Linse der Fotografin nun kunstvoll in ihre Facetten zerlegt wird: Collegestudenten mit nacktem Oberkörper vereint in einem Männlichkeitsritual, ein halb geschminktes Frauengesicht, ein Kind, das sich mit verkritzelten Zeichnungsblättern «tarnt», ein Baby, das auf einem grossen Spiegel liegt, wie ein Opfertierchen auf dem Altar der Selbstdarstellungsgesellschaft. Ein Frauengesicht auf einer Tortenglasur, Eisbären auf einer Lastwagenplane, die aussehen, als würden sie gleich in den echten Schnee beim Hinterrad springen.

Hier geht es nicht bloss um halb verrätselte, halb dokumentarische Sujets, sondern ebenso um Entfremdung und Angst in unserer eigenen Haut, die wir täglich zu Markte tragen, auch auf den diversen Bilderplattformen des Internets. Diese Selfiegemeinschaften von Facebook und Co. greift O’Leary in einer Porträtserie ganz direkt auf, wenn sie junge Frauen durch einen Zweiwegspiegel dabei fotografiert, wie sie ihre eigene Reflexion betrachten. Und als sei es ein kritischer Kommentar zu dieser Bilderreihe, bei der die Gesichter gestochen scharf und in klassischem Format aufscheinen, lässt O’Leary in einer weiteren Serie Gesichter förmlich explodieren: durch Blitzlicht im Spiegelbild, festgehalten auf zu Übergrösse aufgeblasenen digitalen Fotos. Porentiefe Perfektion, aufblitzende Auflösung und ihr Zerstieben in bunte Pixelwelten: Was für ein frischer und klug reflektierter fotografischer Blick auf unsere bildversessene Gegenwart!

Eva O’Leary: «Concealer». Bank Vontobel, Gotthardstrasse 43, Zürich. Öffnungszeiten: Mo–Fr, 10–18 Uhr; Sa/So, 11–17 Uhr. Bis 7. April 2017.