Menschenhandel: Opferschutz vor Strafverfolgung

Nr. 16 –

Letzte Woche hat das Bundesamt für Polizei den zweiten Nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel, den NAP 2017–2020, veröffentlicht. Wie bereits im Rahmen des ersten NAP für die Jahre 2012–2014 soll nun ein nationaler Standard für Opferschutz entwickelt werden. «Denn noch immer gibt es sehr grosse Unterschiede zwischen den Kantonen bezüglich Identifizierung und Schutz der Opfer», sagt Susanne Seytter von der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ). «Beim letzten Aktionsplan lag der Fokus zudem zu fest auf der Strafverfolgung. Der Opferschutz ging schlicht vergessen.»

Gerade bezüglich Aufenthaltssicherheit gibt es noch viel zu tun. Der Aufenthaltsstatus der meisten Opfer von Menschenhandel ist abhängig von ihrer Nützlichkeit für das Strafverfahren. Wer sich etwa aus Angst vor den TäterInnen nicht traut, eine Aussage zu machen, muss die Schweiz verlassen. Und wer sich am Strafverfahren beteiligt, erhält lediglich eine Kurzaufenthaltsbewilligung, die für die Dauer des Prozesses jeweils um drei bis sechs Monate verlängert wird. Am Ende des Verfahrens müssen erfahrungsgemäss die meisten die Schweiz verlassen. Eine Aufenthaltsbewilligung wird ihnen höchstens im Rahmen eines Härtefallgesuchs ermöglicht – was laut Seytter jedoch äusserst schwierig zu erreichen ist.

Noch weniger Schutz erfahren Betroffene von Menschenhandel im Asylverfahren, insbesondere jene, die gemäss Dublin-Abkommen ins Erstaufnahmeland zurückgeschafft werden sollen. Die Verfahrensfristen sind jeweils so kurz, dass es Opferschutzorganisationen kaum gelingt, auch nur einen Fuss in die Tür zu setzen. «Damit der Opferschutz gewährleistet werden kann, müsste das Asylverfahren vorläufig sistiert werden, um den Betroffenen zumindest Erholungs- und Bedenkzeit zu gewähren», sagt Seytter.

Will die Schweiz den Schutz der Opfer von Menschenhandel ernst nehmen, müsste dringend eine weitere Forderung der FIZ umgesetzt werden: dass sie selber auf Asylgesuche von Menschenhandelsopfern eintritt, anstatt sie in andere Dublin-Staaten auszuschaffen.