«The Handmaid’s Tale»: Schrecken ohne Vision

Nr. 20 –

Die allgemeine Verzweiflung über Donald Trump und Co. hat ein fast siebzig Jahre altes Buch erneut zum Bestseller gemacht: George Orwells Überwachungsroman «1984». Genau betrachtet war dessen analytischer Zugriff auf die Gegenwart allerdings erstaunlich vage, der Erkenntnisgewinn also mager. Nun steht schon der nächste dystopische Verkaufserfolg am Start, gefeiert als Schlüsselerzählung zum Jetzt: die TV-Serie «The Handmaid’s Tale», geschneidert aus Margaret Atwoods Roman von 1985. Wie «1984» zeigt sie, dass totalitäre Staaten die Realität mit einer Lügensprache zurichten und die Menschen mit brutaler Gewalt.

«The Handmaid’s Tale» erzählt vom gnadenlosen Gottesstaat Gilead, dessen Herrenrasse unfruchtbar ist, weshalb «Mägde» als Sex- und Gebärsklavinnen gehalten werden. In dieser Schreckensvision wollen KommentatorInnen nun etwa die Auswirkungen von Trumps neuem Healthcare-Plan erkennen. Überhaupt wird das Werk vielerorts quasi als Dokumentarfilm zu den USA von heute gelesen. Das ist auch deshalb erstaunlich, da bei Atwood bis fast ganz am Schluss unklar bleibt, was genau die Unfruchtbarkeit und die blutige puritanische Tyrannei herbeigeführt hat – vermutet werden Naturkatastrophen und Krankheiten.

Diese Ausgangslage verunmöglicht eine politische Analyse: Wir sehen immer nur das himmelschreiende Unrecht, kaum aber seine Entstehung. Dagegen ist der eher unpuritanische Präsident Trump ja nicht aus dem Nichts über die Nation gekommen. Gewiss, seine Frauenfeindlichkeit spiegelt sich im noch viel groteskeren Frauenhass von «The Handmaid’s Tale», aber neue Einsichten eröffnen sich dadurch kaum. Statt Blickschärfer für die Gegenwart zu sein, legt sich der Pessimismus dieser Serie wie ein bleierner Schleier über die Probleme von heute. Wir erschaudern vor dem erfundenen Schrecken am Bildschirm, in dem wir – verschwommen – die Aktualität erkennen wollen. Doch Entsetzen ersetzt keine Analyse. Gefragt wären vielmehr smarte Alternativerzählungen, nicht grelle Zuspitzungen oder Bespiegelungen des Bestehenden.

Legal ist die Serie auf iTunes erhältlich.