Atomwaffen: Widersprüchliche Trends

Nr. 27 –

Zuerst die gute Nachricht: Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri hat bei der aktuellen Schätzung der weltweiten Atomwaffenbestände festgestellt, dass diese im Vergleich zum Vorjahr um 460 Sprengköpfe zurückgegangen sind.

Dann eine relativierende Nachricht: Der Rückgang beträgt weniger als drei Prozent, denn noch immer gibt es 14 935 Atomwaffen auf der Welt. Die Reduktion geht ausschliesslich aufs Konto der USA und Russlands, die zusammen fast 93 Prozent aller atomaren Sprengköpfe besitzen und eigentlich durch einen bilateralen Vertrag verpflichtet sind, deutlich schneller abzurüsten.

Und schliesslich die schlechte Nachricht: Alle anderen rüsten auf. Also Britannien und Frankreich, vor allem aber China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea. Besonders die Regierungen der südasiatischen Erzfeinde in Delhi und Islamabad liefern sich ein exzessives Rüstungswettrennen. Nordkorea verfügt laut Sipri inzwischen über Spaltstoffe für bis zu zwanzig Atomsprengköpfe – letztes Jahr wies das Institut noch die Hälfte aus.

Selbst Russland und die USA scheinen vor allem das zu entsorgen, was ohnehin veraltet ist. Gleichzeitig bringen sie ihr verbliebenes Nukleararsenal auf den neusten Stand. Der frühere US-Präsident Barack Obama hatte ein Modernisierungsprogramm gestartet, das die US-SteuerzahlerInnen in den nächsten dreissig Jahren bis zu einer Billion Dollar kosten könnte. ExpertInnen gehen davon aus, dass Russlands Präsident Wladimir Putin zumindest mit den USA mithalten will. Zugleich war die Welt noch nie so nah an einer umfassenden Ächtung der nuklearen Aufrüstung: Diesen Freitag wollen zwei Drittel aller Uno-Mitgliedstaaten einen Vertragstext über ein vollständiges Verbot von Atomwaffen vorlegen. Doch wie die neun Nuklearstaaten dazu gebracht werden sollen, ihre Abrüstungspflichten zu erfüllen, ist eine andere Frage.

Die Schlussfolgerung des Sipri-Berichts fällt dementsprechend nüchtern aus: Trotz der Fortschritte auf der internationalen Verhandlungsebene scheine keiner der betreffenden Staaten bereit zu sein, sein Atomwaffenarsenal in «absehbarer Zukunft» aufzugeben. Wirklich gute Nachrichten in Sachen Massenvernichtungswaffen dürften also noch einige Jahrzehnte auf sich warten lassen.