Film «Okja»: Mit Schwein gegen System

Nr. 35 –

Am Anfang waren Buhrufe. Als der neue Film des südkoreanischen Regisseurs Bong Joon Ho am Filmfestival von Cannes gezeigt wurde, war der Empfang abweisend: Der Unmut galt technischen Problemen bei der Vorführung – aber auch dem Produzenten, dem Streamingriesen Netflix, der zum ersten Mal überhaupt ein Werk im Wettbewerb des ältesten Filmfestivals der Welt platziert hatte. Die einen sahen darin eine Sabotage am eh schon gebeutelten Kino alter Schule. Es gab aber auch andere, die fanden, man könne gute Filme gut auch auf kleinen Bildschirmen schauen.

Seit «Okja» von Netflix-AbonnentInnen weltweit ins Wohnzimmer gestreamt werden kann, ist es paradoxerweise ruhig geworden um diesen Film, der mit einem genmanipulierten Superschwein und einem mutigen Mädchen unsere kaputte Konsumwelt aufschlüsseln will. In dieser Parabelhaftigkeit ähnelt er früheren Filmen von Bong Joon Ho: Bereits in seinem phänomenalen «The Host» liess er ein flinkes Flussmonster als Metapher für militärische Korruption und Umweltzerstörung symbolische Pirouetten drehen. In seinem letzten Film, «Snowpiercer», wiederum fräsen Klassengesellschaft und Revolution als höllischer Schnellzug im Kreis durch eine menschengemachte Eiszeit.

In «Okja» steht nun die Fleischindustrie am Pranger. Illustriert werden ihre Tierverachtung und Profitgier am herzigen Riesenschwein Okja, das als eines von 26 Versuchstieren eines internationalen Gentechexperiments in einer verwunschenen Berg- und Waldwelt aufwächst. Eines Tages wird das Schwein dem kleinen Mädchen, das es aufgezogen hat, entrissen, um aus dem gelungenen Prototyp weitere hochpotente Kotelett- und Specklieferanten zu züchten. Der Rest des Films ist die abenteuerliche Anstrengung, das Supertier an der bösen Firmenchefin (Tilda Swinton) vorbei in die vorindustrielle Idylle zurückzuretten. Die Moral des digitalen Fleischbergmärchens ist konsequent – und etwas flach. Ein paar aberwitzige Szenen und eine Dreizehnjährige als schauspielerische Entdeckung (Ahn Seo Hyeon) machen noch keinen Film, der dem guten alten Kino gefährlich werden kann.

Okja. Regie: Bong Joon Ho. Netflix. USA/Südkorea 2017