NZZ I: Gujer lässt freistellen

Nr. 45 –

Erst hörte Brigitte Hürlimann fast zwei Wochen lang nichts, dann teilte ihr die Personalchefin der NZZ mit, dass das Unternehmen sie freistellen werde. «Dass ich etwas Unwahres gesagt haben solle, wurde im Gespräch nicht erwähnt», sagt Hürlimann. Die Gerichtsreporterin hatte in der WOZ die zahlreichen Entlassungen und Kündigungen bei der NZZ kritisiert und von einer «Säuberungswelle» gesprochen (siehe WOZ Nr. 41/2017 ).

Hürlimann hatte zum Zeitpunkt der Kritik bereits gekündigt. Nach dem Gespräch mit der Personalchefin arbeitete sie noch weiter, weil das Ressort personell knapp besetzt war. Dann liess Chefredaktor Eric Gujer der Ressortleiterin ein Schreibverbot erteilen, es folgte die definitive Freistellung. «Auch hier gab es keine Auseinandersetzung. Gujer hat nicht mit mir geredet.» Das Fazit von Hürlimann: «Der Arbeitgeber wollte mit aller Deutlichkeit zeigen, was passiert, wenn man die NZZ öffentlich kritisiert. Es ging um eine für alle Mitarbeiter sichtbare Bestrafung.»

Der renommierte Arbeitsrechtler Martin Farner, der Brigitte Hürlimann vertritt, kritisiert das Vorgehen auf dem Medienportal persoenlich.com deutlich. Ein Journalist unterstehe zwar der Treuepflicht gegenüber seinem Arbeitgeber: «Doch loyal sein bedeutet nicht, dass alles, was irgendwie kritisch sein könnte, unterlassen werden muss. Treuepflicht darf nicht dazu führen, die Meinungsfreiheit auszuschliessen. Wenn Missstände bestehen, muss man diese äussern können.» Auch das Wort «Säuberungswelle» zur Beschreibung der Vorgänge sei erlaubt.

Auf einen Protestbrief von ProfessorInnen gegen den Rechtsruck im NZZ-Feuilleton antwortete Gujer umgehend. Der eigenen Mitarbeiterin, die den Mut hat, sich öffentlich zu äussern, erteilt er von oben herab ein Schreibverbot. In der Reaktion auf Kritik demonstriert Eric Gujer noch einmal seinen Führungsstil.