Bern im Steuerwettbewerb: Tief, tiefer, am tiefsten
Es war angesichts der rechtsbürgerlichen Mehrheit absehbar. Vergangenen Dienstag hat der Grosse Rat des Kantons Bern eine Revision des Steuergesetzes verabschiedet. Noch am selben Tag trat er ebenso klar auch auf das sogenannte Entlastungspaket ein (siehe WOZ Nr. 47/2017 ).
Die «Monstersession» im Kanton Bern findet mitten in einem Steuerwettbewerb statt. Ein Kanton nach dem anderen senkt Unternehmenssteuern – derzeit etwa planen Solothurn und Freiburg massive Senkungen, derweil Luzern seine Tarife bereits auf ein Tiefstniveau heruntergeschraubt hat. In Bern soll die Gewinnsteuerbelastung von 21,64 auf 20,20 Prozent und ein Jahr später auf 18,71 Prozent gesenkt werden.
Noch im Februar haben im Kanton Bern über 68 Prozent der Stimmenden die Unternehmenssteuerreform III auf eidgenössischer Ebene abgelehnt. Ein paar Monate später boxen die Kantonsregierung und die bürgerliche Ratsmehrheit eine vergleichbare Vorlage über die Köpfe der Bevölkerung hinweg durch. Doch im Gegensatz etwa zum Kanton Waadt, der die damit einhergehenden Einbussen zulasten der Bevölkerung mit einem «Sozialpaket» (Erhöhung der finanziellen Unterstützung für Familien, Verdopplung der Beiträge an die Tagesbetreuung, Begrenzung der Krankenkassenprämien auf zehn Prozent der Haushaltseinkommen) wenigstens teilweise kompensieren will, verzichtet der Kanton Bern auf einen sozialen Ausgleich. Mehr noch: Das revidierte Steuergesetz soll explizit mit einem weiteren massiven Abbau im Sozial- und Gesundheitswesen sowie in der Bildung finanziert werden. Berechtigte Hoffnung auf Entschärfungen besteht wohl nur bei den wenigsten der 155 vorgesehenen Einzelmassnahmen (total 185 Millionen Franken).
Die Berner «Monstersession» zeigt, wohin ein Tiefsteuerwettbewerb in rechtsbürgerlich dominierten Kantonen führen kann: Zur Kasse gebeten werden jene, die eh schon kaum über die Runden kommen. Und das in einem Kanton, in dem es fürwahr nicht an Geld mangelt. Kurz vor Sessionsbeginn veröffentlichte die «Berner Zeitung» eine Liste der «reichsten Berner». Demnach besitzen die 31 reichsten im Kanton wohnhaften Menschen rund 65 Milliarden Franken.