Terror im Nahen Osten: Fake News über den IS

Nr. 48 –

Die verheerenden Anschläge auf dem Sinai und in Bagdad beweisen, dass das Terrornetzwerk IS noch lange nicht besiegt ist. Daran wird auch die neue sunnitische Antiterrorkoalition nichts ändern.

Bei einem Terroranschlag auf eine Moschee auf dem Sinai – dem bislang opferreichsten in der Geschichte Ägyptens – wurden letzte Woche über 300 Sufis getötet. Dabei handelt es sich um Angehörige einer islamischen Minderheit, die in den beiden fundamentalistisch sunnitischen Staaten Saudi-Arabien und Pakistan brutal unterdrückt, aber auch im schiitischen Iran verfolgt wird. Am Montag forderte ein Selbstmordanschlag auf das Quartier einer schiitischen paramilitärischen Miliz in der irakischen Hauptstadt Bagdad 35 Tote und über 20 Verletzte. In beiden Fällen beanspruchte der sogenannte Islamische Staat (IS) diese Verbrechen für sich.

In Afghanistan, wo seit fast vierzig Jahren Krieg herrscht, wurden in den vergangenen Wochen erstmals Anschläge gegen Angehörige der schiitischen Minderheit verübt, die der IS ebenfalls für sich reklamierte. All diese Angriffe entlarven die Behauptungen vom «Sieg» über den IS, die von den Regierungen in Bagdad, Damaskus, Moskau und Washington verkündet wurden, als Fake News. Zwar hat der IS fast neunzig Prozent derjenigen Gebiete verloren, die er seit Frühjahr 2014 im Irak und in Syrien erobert hatte. Doch das Terrornetzwerk lebt weiter, und es findet immer noch neue AnhängerInnen. Dazu dürften auch die Bombardements der ägyptischen Luftwaffe auf dem Sinai beitragen, mit denen das Regime des Militärdiktators Abdel Fattah al-Sisi auf den jüngsten Anschlag reagierte.

Auf Konfrontationskurs mit dem Iran

Auch in Syrien, wo Diktator Baschar al-Assad nach dem mit militärischer Hilfe Russlands und des Iran errungenen Sieg über die Rebellen mittelfristig an der Macht bleiben dürfte, werden sich künftige Anschläge des fundamentalistisch sunnitischen IS wahrscheinlich ebenfalls zunehmend gegen die Minderheit der schiitischen AlawitInnen richten, der auch Assad angehört. Ziel dieser Attacken ist es, den innerislamischen Konflikt weiter anzuheizen und damit auch die Konfrontation mit dem schiitischen Hauptfeind Iran.

In erster Linie diesem Ziel gilt auch die 2015 von Saudi-Arabien initiierte Islamic Military Counter Terrorism Coalition, deren 41 Mitgliedstaaten am Sonntag in Riad zur Gründungssitzung zusammenkamen. Vertreten waren ausschliesslich die Verteidigungsminister mehrheitlich sunnitischer oder sunnitisch regierter Staaten. Der Iran, Syrien sowie der Irak mit seiner schiitischen Mehrheitsbevölkerung und Regierung waren nicht eingeladen. Katar, das diplomatische Beziehungen zum Iran unterhält und sich dem vom Königshaus in Riad forcierten Konfrontationskurs gegen Teheran widersetzt, war bei der Konferenz ebenfalls unerwünscht.

Zugleich diente diese Konferenz Riad zur Camouflage. Denn mit der Initiative zu einer Antiterrorkoalition hat sich in Saudi-Arabien der grösste Bock zum Gärtner gemacht. Die saudischen Wahhabiten waren die Hauptsponsoren des islamistischen Terrors seit Ende des Kalten Krieges. Auch der IS wurde zumindest in seinen ersten Jahren von Riad gefördert.

Milliardenschwere Waffenlieferungen

Die Rolle Saudi-Arabiens als Hauptsponsor des islamistischen Terrorismus ist den westlichen Regierungen zwar bekannt. Dennoch betrachten sie das Land nach wie vor als wichtigen Verbündeten im Nahen Osten und rüsten es auf. US-Präsident Donald Trump machte die erste Auslandsreise nach seinem Amtsantritt nach Riad und vereinbarte dort Waffenlieferungen im Wert von 350 Milliarden Dollar. Bei gemeinsamen Auftritten bezeichnen saudische, US-amerikanische und israelische Regierungsmitglieder den Iran unisono als «grösste Bedrohung im Nahen Osten» und wider die Fakten als «grössten staatlichen Sponsor des globalen islamistischen Terrorismus». Auf diese Weise wird Riad in den bereits laufenden Stellvertreterkriegen mit Teheran in Syrien und im Jemen unterstützt und darüber hinaus zu einer direkten militärischen Konfrontation mit dem Iran ermutigt.

Sollte es zu einer solchen kommen, wäre dies der vierte Golfkrieg seit dem irakisch-iranischen Waffengang von 1980 bis 1988; ein solcher Krieg würde die Region noch mehr destabilisieren als die drei Kriege davor – und den Nährboden für islamistischen Terrorismus noch einmal kräftig düngen.