Von oben herab: Wau

Nr. 8 –

Stefan Gärtner sammelt Pressestimmen zur Nachricht der Woche

«Blick»: «Es ist Freitag gegen 2.30 Uhr in der Nacht. Zwei Rettungssanitäter von Schutz & Rettung fahren im Rettungswagen auf der Autobahn A1 von Winterthur zurück nach Zürich. Plötzlich entdecken die beiden Männer ein grosses, regungsloses Tier am Strassenrand. Sie halten an und finden eine völlig unterkühlte und schwer verletzte Hündin vor. Die Rettungssanitäter alarmieren sofort die Kantonspolizei Zürich und versuchen derweil das Vertrauen des Tieres zu gewinnen. Der Hündin aber geht es immer schlechter. Kurzerhand nehmen die beiden das Tier in den Rettungswagen und führen eine medizinische Erstversorgung durch. Wie sich später herausstellt, ist die Hündin 8 Jahre alt und heisst Rapunzel. Bereits am 15. August 2017 ist sie in der Nähe von Frankfurt am Main (D) ausgebüxt. 400 Kilometer ist sie seither herumgeirrt und nun in Zürich gelandet. Ganz Deutschland suchte damals nach ihr – erfolglos.»

«Weltwoche»: «(…) sind es immer die Schäferhunde, die Geschichte machen. Hermann Göring, dieser intelligente, mit ausserordentlichen Frauen verheiratete Mann, der weder Monster noch Teufel war und stets im besten Interesse Deutschlands handelte, hatte zwar keinen, spielte aber gerne mit ‹Blondi›, der Hündin seines Führers, der freilich niemals eingefallen wäre auszubüxen. Sie wusste, ganz Deutschland hätte nach ihr gesucht. Einschliesslich der kompletten deutschen Wehrmacht, und eine Suchaktion hätte womöglich jenen unglückseligen Krieg unmöglich gemacht, den der Reichsmarschall so leidenschaftlich zu verhindern versucht hatte. Der Hund bleibt sich selbst das grösste Rätsel, und Bescheidenheit bleibt das ewige Gebot, wenn (…)»

«Neue Zürcher Zeitung»: «(…) muss sich die Grenzpolizei fragen lassen, warum es erst eines Rettungswagens bedurfte, um eine unbegleitete ausländische Minderjährige aufzugreifen, überdies eine verletzte und zur Fahndung ausgeschriebene, nach der ganz Deutschland suchte. Dass sie jetzt auf Kosten des Schweizer Steuerzahlers versorgt wird, mag sich die Schweiz als humane Geste gutschreiben lassen. Gleichwohl müssen sich unsere Europafreunde in den alternativen Quartieren die Frage gefallen lassen, ob zukünftige Sicherheitspolitik – oder sollte man sagen: Unsicherheitspolitik? – tatsächlich derart ‹auf den Hund› (…)»

«Beobachter»: «(…) ist es rechtlich so, dass ausländische Hunde in der Schweiz dann eine Chance auf Bleibeerlaubnis haben, wenn sie eine ‹besondere Härte› geltend machen können. Dies wird man annehmen können, wo mit lächerlichen und demütigenden Namen wie ‹Rapunzel› die Tierrechtskonvention der Vereinten Nationen derart eklatant (…)»

«Schweizerzeit»: «(…) gehört solch hilflosen Wesen, woher sie auch kommen und wie viele Grenzen sie überschritten haben mögen, unsere ganze, tief empfundene Anteilnahme. Jede Flucht hat ihre Ursache, und der Aufmerksamkeit unserer Rettungssanitäter ist es zu verdanken, dass es hier nicht zum Äussersten (…)»

«PCtipp»: «(…) dass schnelles Herunterfahren allemal besser ist als monatelanges Heruntergehen, das, wie der Fall Rapunzel beweist, sogar an den Rand des Systemausfalls (…)»

«Der Landbote» (Winterthur): «(…) traf am Abend auch Rüde ‹Ruedi› (45) wieder wohlbehalten zu Hause ein. An der Suchaktion hatte sich hauptsächlich Frauchen Lisa A. beteiligt, die ihn nach bangen Minuten schliesslich in der Beiz aufstöberte, wo er gewohnheitsmässig unter dem Tisch (…)»

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.