Kommentar zur Temporärarbeit: Stressfrei sieht anders aus

Nr. 12 –

Swissstaffing, der Verband der Schweizer Personaldienstleister, unternimmt einen Frontalangriff auf die Arbeitsbedingungen der temporär Angestellten. Dabei sind diese Bedingungen bereits heute prekär.

«Die Temporärarbeit. Darfs ein bisschen weniger sein? Ein bisschen weniger Stress. Und dafür viel mehr Spass.» Mit solchen Argumenten wirbt der Verband der Schweizer Personaldienstleister für die Temporärarbeit. Flexibel und attraktiv soll diese Beschäftigungsform wirken, besonders attraktiv auch für junge Menschen, etwa, um die Zeit bis zum Studium zu überbrücken oder um Geld für längere Reisen zu verdienen. Die derart Beschäftigten, so wird suggeriert, könnten selber bestimmen, wann sie arbeiten wollen.

Die Realität ist jedoch eine gänzlich andere: Ein grosser Teil der temporär Angestellten entscheidet sich meist nicht freiwillig für diese Art der Anstellung. Es ist vor allem die Hoffnung auf eine Festanstellung, die sie antreibt. Eine Hoffnung, die nur allzu oft illusorisch ist. Denn immer mehr Firmen setzen, um Lohnkosten zu sparen, mittlerweile hauptsächlich auf temporär Angestellte. So dringt die Temporärarbeit in immer mehr Branchen vor.

Es erstaunt also nicht, dass die Zahl der temporär Beschäftigten kontinuierlich ansteigt. Mittlerweile sind es über 315 000 Personen, Tendenz weiter steigend. Zumindest einigermassen geschützt wurden die temporär Arbeitenden bisher durch den Gesamtarbeitsvertrag Personalverleih. Keinem anderen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) sind hierzulande mehr Personen unterstellt. Doch genau diesen GAV greift Swissstaffing, der Verband der Personaldienstleister, frontal an. Am vergangenen Montag, wenige Stunden vor einem Treffen der Sozialpartner, verkündete Swissstaffing die Sistierung der Verhandlungen.

Der Verband will damit den Druck auf die Gewerkschaften erhöhen. Einerseits geht es um eine Aufweichung der Bestimmungen für den Schutz vor Überstunden. Bisher erhalten temporär Angestellte einen Lohnzuschlag, wenn sie pro Tag länger als 9,5 Stunden arbeiten. Diesen möchte Swissstaffing am liebsten abschaffen und so den Weg ebnen für den Zwölfstundentag. Andererseits fordern die Gewerkschaften und Angestelltenverbände wirksame Kontrollen, um fehlbare Firmen zu büssen: so etwa bezüglich der Pflicht zur Lohnzahlung auch dann, wenn die Arbeit wegen Verschulden des Unternehmers nicht geleistet werden kann.

Der Abbruch der Verhandlungen ist für die Beschäftigten ein Affront. Dennoch werde man weiter auf Verhandlungen setzen, sagt Véronique Polito, Geschäftsleitungsmitglied der Gewerkschaft Unia: «Die Arbeitsbedingungen in diesem weiten Bereich sind bereits heute prekär. Wenn der Gesamtarbeitsvertrag nicht erneuert wird, fällt der Schutz für die Angestellten komplett weg.» Vielmehr müsse dieser in Zukunft weiter ausgebaut und verbessert werden, so Polito.

Es bleibt noch ein wenig Zeit für Verhandlungen. Der aktuelle GAV gilt bis Ende dieses Jahres. Wenn bis dahin keine Einigung erzielt wird, droht ein vertragsloser Zustand. Über 315 000 Beschäftigte würden jeglichen Arbeitsschutz verlieren. Dass es tatsächlich dazu kommen wird, ist jedoch kaum anzunehmen. Die Sistierung der Verhandlungen seitens Swissstaffing soll in erster Linie dessen eigene Position stärken. Man hofft in einigen Verhandlungspunkten auf ein Einknicken der Gewerkschaften.

Genau das darf jedoch nicht passieren. Der bisher geltende GAV mag für die temporär Angestellten einen gewissen Schutz bedeuten, mehr aber auch nicht. Zahlreiche Firmen halten sich bereits heute nicht an die vereinbarten Mindeststandards. Kontrollen und Sanktionen gibt es kaum. Von einem auf den anderen Tag können die Angestellten auf der Strasse stehen. Allein dadurch sind sie einem grossen psychischen Druck ausgesetzt.

Kurzfristig muss ein möglichst fairer neuer GAV für die temporär Arbeitenden das Ziel sein. Längerfristig gilt es hingegen, die zunehmend ausufernde Ausbreitung ungeschützter Temporärarbeit zu stoppen. Stressfrei und spassig ist diese nämlich ganz sicher nicht.